Dean Wesley Smith ist ein extrem professioneller Autor, der nicht nur sein Schreiben sehr ernst nimmt und dabei Spaß hat, sondern auch seine Website. Nicht viele Autoren können von sich behaupten, 3000 Tage lang jeden (!) Tag ein Posting abgesetzt zu haben. Das ist durchaus beeindruckend. Es ist viele Jahre her, dass D.W. Smith übersetzt und auch hier veröffentlicht wurde, meist gemeinsam mit seiner Frau Kristine Kathryn Rusch – die beiden gehörten zu den besten Autoren für Star Trek-Romane. Beide haben schon vor ewigen Jahren aufgehört, anders als via Self-Publishing zu veröffentlichen und machen das mit Selbstverlag und Helfern extrem erfolgreich.
Vor allem, aber nicht nur, angehenden Autoren kann man die Websites der beiden absolut und gern nahelegen. Es gibt unendlich viele Artikel über die Kunst des Self-Publishing, über Vorurteile und Klischees, deren Überwindung, Nutzen und Schaden, über Dinge, die man tun oder unterlassen sollte – die Websites sind Schatzkammern des Wissens. Beide haben Bücher zu dem Thema verfasst und bieten auch Online-Kurse an.
Aber eigentlich wollte ich auf etwas ganz Konkretes hinaus: Und zwar Smith’s Blog-Beitrag A Lesson. Hier lässt der Autor einen Gedanken ab, der so naheliegend ist, dass man die Hand gegen die Stirn klatschen möchte, weil man selbst manchmal zu verbohrt und vernagelt ist, um die simple Wahrheit dahinter zu verinnerlichen. Und simpel ist die Sache, sehr sogar.
Man darf als Autor Geschichten schreiben, die weder neu noch originell sind. Wenn gewollt, kann man natürlich auch Klischeehandlungen verwenden, die auf ein vorhersehbares Ende hinauslaufen, schon seit hundert Jahren nach dem selben Schema immer und immer wieder hervorgebracht werden. Smith, der gerade eine solche Geschichte gelesen hatte, begründet das ganz simpel: Normalerweise würde er eine solche Geschichte nach ein paar Seiten beiseite legen. Aber der Autor (den er nicht namentlich nennt), hat eine eigene Erzählstimme und er hat diese Geschichte noch nie von diesem Autor erzählt bekommen, so dass er sie gelesen hat, weil er sie als neu und wunderbar empfand.
Das ist es. Mehr nicht. Aber, denkt man ein wenig darüber nacht, ist das völlig klar. Jeder, der Stephen King liest, stolpert immer wieder über eine Geschichte, die jetzt nicht sooo originell ist und bei der man von Beginn an weiß, wie sie wohl ausgehen wird. Und trotzdem lesen wir sie, weil es ist King und wir mögen seinen Stil, seine flüssige, unaufgeregte Erzähweise, oft auch die Ironie, und so weiter. Am Ende war es eine tolle Geschichte – aber sie war nicht neu. Nur er hat sie zu einer Neuheit gemacht.
Das gilt genauso für die Liebesgeschichten, für die Thriller – wie viele Romane mit gebrochenen, traumatisierten Ermittlern gibt es denn, die einem Serienkiller hinterherjagen, der sie an ihre Grenzen bringt … und all diese Geschichten sind vertraut und laufen grundsätzlich nach denselben Regeln ab – und trotzdem bekommen wir oft nicht genug davon. Warum? Weil jeder Autor dem vertrauten Grundmuster seine eigene Note beifügt (bis auf jene Autoren, die das nicht tun, sondern rein berechnend nach Schema F versuchen, einen Verkaufserfolg zu erzwingen).
Im Grunde genommen ist die Ansage von Smith sehr simpel: Schreibe einfach, was du magst! Und wenn es eine altbekannte Story ist. Schreibst du sie so, wie du es möchtest, in deinem Stil, wird sie ihre Leserschaft finden, weil die altbekannte Geschichte dann eben auf eine persönliche, neue Weise erzählt wird.
Und selbst dieser Ratschlag ist im Grunde nicht neu. Aber es ist gut, ihn immer wieder vorgesetzt zu bekommen, um sich daran zu erinnern, dass es nicht immer darum geht, krampfhaft neu komponierte Gerichte aufzutischen. Ein vertrautes Gericht mit eigener Geschmacksnote ist oft genug genau das Richtige.
Der Beitrag [SCHREIBWERKSTATT]: Naheliegendes erschien am 24.10.2020 auf JohnAysa.net …
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