Jeden Tag? Das ist die Frage. Ein Gutteil der professionellen Autoren, die man danach fragt, ob es nötig ist, wirklich jeden Tag wenistens ein wenig zu Schreiben, wird diese Frage bejahen. Ebenso wird die Mehrheit der Befragten auch darauf beharren, dass man sich die Zeit schaffen kann und muss, wenn man es wirlich ernst meint mit dem Dasein als schreibender Mensch.
Es hat natürlich unheimliche Vorteile, täglich Wörter in die Tasten zu klopfen. Der nicht geringste dabei ist, dass man von einem Tag zum anderen Tag leichter im Fluß bleibt, nichts vergisst, nahtlos an das Schreiben des Vortags anschließen kann. Darüber hinaus kommt man auch auf diese Weise zu einer recht brauchbaren Wochenstundenzahl, die was hermacht.
Und dann ist da die Realität. Und die sagt, nein, vergiß es. Heute wird nichts geschrieben. Kannst du nicht. Lasse ich dich nicht. Und diese unfreundliche und kreativitätsfeindliche Realität obsiegt doch öfter, als einem lieb sein kann. Das kommt unausweichlich.
Ich denke doch, dass die Behauptung, täglich schreiben zu müssen, ein wenig zweifelhaft ist. Was nützt es mir, wenn ich mich eine gehetzte halbe Stunde hinsetze, um den in die Tasten gerotzten Text am nächsten Tag wieder zu löschen, weil er einfach nur Scheiße war? Und die Sache mit dem nahtlosen fortsetzen von Texten … ich habe im Schnitt ein halbes Dutzend Texte parallel offen. Wenn ich bei einem Text nicht mehr weiterkann, weil zu müde geworden, wirklich mit der Handlung anstehend, warum auch immer, wechsle ich. Da wird nicht immer nahtlos fortgesetzt. Manches Mal durchlüftet so ein Textwechsel das Gehirn wirklich gründlich – und das wiederum ist oft genug vonnöten.
Und die Wochenstundenzahl – wenn ich eine enorm lange Sitzung abhalten kann, die bis zu sechzehn Stunden dauert, dann mag das im Endeffekt weit mehr bringen als die tägliche halbe Stunde. Es kommt schon vor, dass ich von einem Freitag früh bis Sonntag Abend 45 Stunden mit Schreiben verbringe. Das bringt mich jedes Mal enorm weiter. Damit schmerzen die Tage, an denen nichts klappt, deutlich weniger.
Natürlich ist dieser Prozess eine sehr individuelle Sache. Wie sie für die einzelne Person funktioniert, muss diese für sich herausfinden. Für mich kann ich nur sagen, es klappt nicht jeden Tag, einfach weil die Umstände es verhindern. Andernfalls täte ich es natürlich. Auch finde ich es oft hilfreich, mehrere Texte parallel zu bearbeiten, weil es die Gedanken auffrischt.
Aber letzten Endes zählt nur eine Sache: Jeder findet für sich selbst hinaus, wie es am besten klappt. Und so wird es umgesetzt. Alles andere, mag es auch noch so sehr als Gesetz oder einzig richtiger Weg präsentiert werden, ist nicht mehr als ein Vorschlag, eine Möglichkeit.
Viel Vergnügen bei der Selbstergründung.
Der Beitrag [SCHREIBWERKSTATT]: Jeden Tag? erschien am 30.10.2020 auf JohnAysa.net …