Rechte für Zitate können eine trickreiche und fiese Angelegenheit sein. Wo zitiert man noch, wo klaut man schon. Wo endet das so genannte kleine Zitat und ab wann wird von einem großen Zitat gesprochen, für das man eine Einwilligung des Urhebers bzw. Rechteinhabers benötigt?
Wessen Einwilligung braucht man eigentlich und all der andere Spaß, der damit im Zusammenhang steht. Stephen King hat seine Bücher oft randvoll mit ganzen Strophen aus Songs voll – aber das ist Stephen King und jeder Musiker leckt sich alle zehn Finger ab, von ihm zitiert zu werden.
Aber was, wenn man nicht Stephen King ist und ein paar Worte aus einem Song zitieren will? Dann macht man das, was ich versucht habe. Man ergründet, wo denn nun der Inhaber der Rechte ist, um mal zu fragen, ob man darf. Man will schließlich niemanden anpissen. Das kann teuer kommen. 2016 habe ich einen Vorwand gefunden, um eine Einwilligung einzuholen. Für einen meiner Romane wollte ich als Intro eine Strophe aus einem Lied zitieren. Vier Textzeilen aus dem Jahr 1968. Ein berühmter Song, dessen Text beim näheren Hinhören ganz schön schräg daherkommt.
Nun gut. 1968. Das gewünschte Lied erschien seinerzeit bei Columbia Records. Columbia ist schon eine ganze Weile, Jahrzehnte nämlich, kein eigenständiges Label, sondern nach mehreren Umwegen ein Name im Eigentum von Sony. Die Website von Columbia ist Mist. Sie enthält keinerlei brauchbare Informationen, zeigt außer den Fratzen aktueller Musiker nichts. Eine drastische Reduktion eines legendären Labels zu einem Null-Wert (gut, Adele erscheint dort, also ist das mit dem Wert nicht … egal).
Nächste für mich naheliegende Adresse ist erst die Website des Musikers, die keinen Hinweis bietet, dann die Site des Komponisten des Songs, der den Musiker seinerzeit zu Columbia geholt hat. Ebenfalls Fehlanzeige.
Ok, ich weiß, ich bin mit der Kirche ums Dorf unterwegs – aber in dem Moment erscheint mir mein Vorgehen logisch. Also suche ich mal Sony auf … öhmpf. Weil die Auswahl bei Sony doch sehr groß ist, nehmen wir die lokale SonymusicWebsite. Die hilft mir zwar mit meinem Problem nicht weiter, aber führt mich zur deutschen Sonymusic und da – ha!
Die Licensing Website von Sony! Mit dem Verweis auf die GEMA. *Hand-an-Stirn-klatsch*
Hätte ich gleich dorthin schauen können. Also gut, auf zur GEMA und dort eine Abfrage starten. Ok, Interpret, Komponist und … Warner Tamerlane??? What the fuck? Nicht Columbia? Muss ich das jetzt verstehen? Aber egal, vielleicht wurden Rechte gehandelt. Ist ja nicht so abwegig.
Warner Tamerlane also. Das Label ist auch schon eine ganze Weile inexistent, und damit landet die weiterführende Suche bei Warner Chappell. Juhu, eine eigene Licensing-Website. Mit Schwung dort hinein und nach dem Song gestöbert und … huch, gefunden!
Klatsch, Ohrfeige: Die Lizenz, die ich begehre, wird von Alfred Music gehandhabt!
Ächz. Gut. Ein Besuch bei Alfred Music, mit Datenbank und Anfragemöglichkeit und … grrr! In deren Verzeichnissen scheinen Song/Komponist nicht auf! Aber Warner Chappell verweist doch … seufz. Gut, einfach fragen.
Nein! Ohne sich dort zu registrieren gibt es keine Anfrage. Verflucht nochmal. Also gut, dann melde ich mich widerwillig an. Anschließend darf ich das Formular ausfüllen und absenden. Kurz darauf landet eine automatische Antwort im Posteingang – sie bemühen sich um Beantwortung meiner Frage innerhalb von 45 Tagen! Ich falle mal vom Sessel.
Ganz so lang dauert es dann doch nicht. Nach zwei Tagen erhalte ich eine sehr freundliche Mail von einem Mitarbeiter. Danke für die Anfrage, aber du bist in Europa daheim und das liegt außerhalb der Zuständigkeit von Alfred Music. Ich möge mich bitte an Warner Chappell England wenden. Diesmal bekomme ich sogar eine Mailadresse und Kontaktperson. Wow, immerhin eine brauchbare Information.
Warum kann nicht irgendwer von all den Lizenzinhabern auf seiner Websites vermerken, dass du dich dorthin wendest, wenn du von da bist oder dahin, so du von dort kommst? Ist das so viel verlangt oder ist das denen einfach nur scheißegal, weil Filmstudios und Produktionen ohnehin alle irgendwie zu den gleichen Konzernen gehören?
Warner Chappell UK also. Ich fasse alle notwendigen Informationen in einer Mail zusammen:
- Song und Komponist
- wofür ich das Zitat benötige
- in welcher Sprache
- wann das Werk erscheint
- was es voraussichtlich kostet
- worum es darin geht (!)
- eine Textprobe vor und nach der Stelle, an der ich den begehrten Text stehen haben will (!)
- die Höhe der Auflage,
- wer ich bin, wo ich wohne
Das sind – ohne Übertreibung – alles Dinge, die man bei einer derartigen Anfrage angeben muss. Wer also solch eine Lizenz beantragen will, muss die Hosen runterlassen, soch vorbeugen und die Arschbacken auseinanderziehen.
Nach einem Tag Stille bekomme ich eine Antwort – von Warner Chappell DE! Darf ich jetzt bitte tot vom Sessel fallen? Ein wirklich überaus höflicher Mitarbeiter von WC in DE fragt noch einmal die Textzeilen und die geschätzten Verkaufszahlen (?!?!) des Werkes ab. Also schätze ich – das realistisch zu versuchen ist haarsträubend und unangenehm. Wie schätzt man den Verkauf eines selbst rausgebrachten Buches ein? Bescheiden, denke ich und gebe eine tatsächlich sehr bescheidene Stückzahl an.
Am nächsten Tag kommt tatsächlich ein Angebot – ich fasse es nicht. Ich lese die Mail – und fasse es nochmal nicht:
- Ich kann die Lizenz bekommen.
- Sie wird auf 5 Jahre ausgestellt.
- Aufgrund der Schätzung käme ich auf 300 Euro Gebühren.
- Das Angebot ist unverbindlich, bis der Komponist seine Einwilligung dazu gibt.
- Sie würden sich sehr freuen, von mir zu hören.
Nun, der Roman ist ohne das Intro erschienen. Ich habe im ersten Frust kurz überlegt, ob ich ein paar Punktlinien ziehe und nur den Namen von Song und Interpret anführe. Aber das wäre ein kindischer Untergriff. Vielleicht hätte ich mich auch von Beginn an auf das kleine Zitat berufen und einfach das Zitat hernehmen sollen. Schwer zu sagen.
Jedenfalls bin ich um eine frustrierende Erfahrung bereichert worden. 5 Jahre Laufzeit? Nach 5 Jahren müsste ich entweder das Zitat entfernen, was ein neues Layout bedeutet und Kosten verursacht. Oder ich verlängere die Lizenz, was unzweifelhaft weitere Gebühren zur Folge hätte. Höhere, ganz sicher. Ich weiß, dass das anspielen eines Songs in einem Film oder einer Serie tausende Euro an Lizenzgebühren kostet. Vor allem, da sich dort der Song nach 5 Jahren kaum rausnehmen lässt, schließlich kann das Lied im Film einen beachtlichen Beitrag zur Gestaltung des Gesamtwerks beitragen.
Mich hätte nur folgendes interessiert: Die 20 Wörter kosten jedes 15 Euro. Wie viel von diesem Geld käme letzten Endes beim Komponisten an?
Den postapokalyptischen Rock-Musical-Roman, knallvoll mit Songzitaten, Sex und Splatter, musste ich nach der Erfahrung verwerfen. Und ja, den wollte ich allen Ernstes schreiben.
Der Beitrag [SCHREIBWERKSTATT]: Erfahrungsbericht Zitatenrecht … beruht auf einer älteren Version dieses Artikels. Diese habe ich entfernt und durch die neue, korrigierte Fassung ersetzt. Sie erscheint zeitgleich auf Kultplatz.net, DingeDesAlltags.com und JohnAysa.net …
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