Ich bin kein Fan von Spike Lee und das ist der erste seiner Filme, die ich überhaupt von Anfang bis Ende gesehen habe. Hätte ich vorgehabt, eine Rezension zu schreiben, wäre ich anders auf den Film zugegangen. Dass ich meine Meinung nun doch ablasse, hat viel mit einer Rezension in der Print-Ausgabe der Wiener Zeitung (Ausgabe 17, vom 12.06.2020).
DAS HANDWERK & VERGLEICHE
Da 5 Bloods ist nach meinem Dafürhalten ein wohlkalkulierter Film, der den Aufhänger der Vietnam-Geschichte nimmt, um daraus einen überaus politischen, im Jetzt angesiedelten Kommentar zu menschlicher Gier, zu Rassismus, zum unsäglichen Donald Trump und zur Verdammnis der sich ewig wiederholenden Geschichte, zu formen. So unglücklich aktuell ist der Film aufgrund des Todes von George Floyd, das hätte niemals jemand derart punktgenau kalkulieren können.
Wenn man den Film mit Werken anderen Filmemacher vergleichen will, man könnte auch Spike Lee mit Spike Lee vergleichen, dann erscheint er mir formal und erzähltechnisch in der Tradition von Werner Herzog oder Abel Ferrara angesiedelt. Lee spielt mit eingeschnittenem Originalmaterial, mit fast dokumentarischer Kahlheit – Handkamera, drastische Reduktion von Musik, Wechsel von Filmformaten, von Körnung. Auch die dramaturgischen Kniffe sind nicht von Lee erfunden, sondern clever eingesetzt, so wie es vor ihm viele andere Regisseure getan haben, die einzelne Szenen und Momente besonders gewichten wollten, oder um das Publikum aus dem Komfort des Moments zu holen.
Da 5 Bloods ist mit über 150 Minuten Länge ein Monstrum von Film, das man aber gerne bis zum Ende durchsitzt, weil der Streifen letzten Endes keine Längen aufweist. Das ist so wie bei Martin Scorsese. Nimm eine Szene raus und es wird alles unrund. Der Film ist ein deutliches Statement, dessen vordergründiges Auftreten aber weit mehr Hintergründigkeit und Beobachtung aufweist, als man anfangs vermuten will. Natürlich muss Spike Lee seine Botschaft mehrmals mit dem Vorschlaghammer seinem geneigten Publikum ins Gesicht dreschen.
Schnurgerade und schnörkellos, ohne erleichternden Humor zwischendurch, ohne Ablenkung durch Nebenhandlungen – auch was wie eine solche erscheint, ist keine, sondern eine dramaturgische Notwendigkeit und Vorbereitung auf das, was da noch folgen soll – begleitet das Publikum die Hauptfiguren von Anfang bis Ende durch den Film. Man mag, so man will, Humor in manchen Szenen sehen, das ist es meiner Meinung aber nicht wirklich. Es ist einfach nüchterne Sichtweise, nicht mehr als der klare Blick auf Ignoranz, Blödheit, Gier und Bösartigkeit, die in Menschen steckt und unter den richtigen Umständen zum Vorschein kommt. Eigentlich ist das, was Bestandteil der Geschichte ist und humorig erscheint, absolut nicht humorvoll.
NOCH MEHR VERGLEICHE
Der Film ist unerwartet brutal, sowohl bei der Auswahl einiger Originalaufnahmen, wie auch bei der Erzählweise der Geschichte selbst und bei der Darstellung der brutalen Momente und Schockeffekte.
Der eine skurrile und offensichtliche Witz des Films ist ein musikalischer und bezieht sich Apocalypse Now, die Mutter aller Vietnam-Filme, und den berühmten Helikopterangriff, untermalt vom Ritt der Walküren von Richard Wagner. Dieses Musikstück herzunehmen, das konnte sich Lee nicht verkneifen, um daraus einen doppelten Scherz zu formen. Man vergleiche die Kombination von Musik und Bild bei Da 5 Bloods mit der Musik in der besagten Helikopter-Szene und einer völlig anderen Szene bei Apocalypse Now, um diese feine Verbeugung vor Coppola zu erkennen. Beide Filme sind Reisen in die Hölle.
Und er hat, wenngleich weniger raffiniert und geschickt, einem Filmemacher und Darsteller sowie einem Darsteller eins in die Fresse gerammt, die beide für ihre sehr eigenwilligen Vietnam-Filme bekannt sind, die sie, oh, in den 1980er Jahren, gedreht haben (und der eine dreht noch heute solche Filme).
All diese Spielereien lenken jedoch nicht davon ab, dass der Film ein harter Kommentar zur Gesellschaft und Politik der Vereinigten Staaten ist, eine Betrachtung über menschliche Schwächen und Verführung. Ein Streifen wie Da 5 Bloods ist von zeitloser Aktualität, weil er sich mit dem beschäftigt, was wohl währen wird, so lange es Menschen gibt. Vorurteile, Dummheit, Verblendung, Gier, Ignoranz, Mordlust. Und vielleicht einem winzigen Funken Hoffnung auf Besserung im Kleinen.
Da 5 Bloods ist auf Netflix zu sehen.
NACHBEMERKUNG
Eingangs erwähnte Rezension stammt vom Journalisten namens Matthias Greuling, war auf der ganzen (!) ersten Seite des Feuilleton besprochen. Diese Rezension hat mich unglaublich geärgert. Normalerweise geht mir eine nach meinem Dafürhalten schlechte Filmbesprechung völlig am Arsch vorbei, doch diese ist richtig ärgerlich. Auf ein paar Punkte möchte ich unbedingt eingehen und meine eigene Meinung dagegenhalten.
Herzlichen Dank für die Spoiler, Herr Greuling. Damit ruinieren Sie an einer Stelle einen richtig hervorragend gesetzten Schockeffekt. Glückwunsch zu diesem Meisterstück. Einen Film kann man auch ohne Spoiler besprechen. Und Sie haben auch eine zweite Szene durch einen völlig entbehrlichen Spoiler ruiniert – dazu noch inhaltlich inkorrekt gespoilert, aber das ist auch schon scheißegal.
Sie finden, der Film sei verrückt – ich zitiere “Überall im Dickicht dieses durchaus verrückten Films …” Zitat Ende. Der Film ist meiner Meinung nach weder verrückt, schräg, skurril oder voller humoresker Details. Bei ein paar Sachen glaube ich zu wissen, worauf Sie hinauswollen. Das sind jedoch Standards des Kriegsfilms, des Abenteuerfilms, des Westerns, des Actionstreifens. Ich denke, Sie verwechseln hier etwas. Nämlich Szenen und Momente, die Humor beinhalten, mag er zynisch sein oder ironisierend, mit Szenen und Momenten, die humorvoll sind. Da 5 Bloods ist kein humorvoller Film, das bemerken Sie selbst in Ihrem Text, und er ist schon gar nicht verrückt.
Allen Ernstes, Sie vergleichen Spike Lee mit Quentin Tarantino? Ich sehe hier völlig verschiedene Thematiken und Erzählweisen. Ähnlich ist hier die mangelnde Zurückhaltung beim Blutvergießen, die Farbenfreude einzelner Szenen und der Rückgriff auf erzählerische Kniffe, die für keinen der beiden Regisseure speziell sind. Kameraführung, Einsatz von Musik, nichts stimmt überein. Tarantinos oftmals verwickelter Erzählstil und der mitsamt Rückblenden stringente Stil hier, das ist wie Tag und Nacht. Oh ja, natürlich, die Länge des Films macht aus Da 5 Bloods ein – Zitat “… Epos im Tarantino-Style, …” Zitat Ende.
VERKEHRTE VERGLEICHE
Sie behaupten, der Vergleich mit Tarantino ist gültig, weil die Zeitkommentare von Lee im – Zitat “… (absurden) Detail …” Zitat Ende, stecken. Absurd mag diskussionswürdig sein. Aber das ist sehr subjektiv. Und eine Behauptung aufzustellen – Zitat “…, auch deshalb ist der Vergleich mit Tarantino gültig:…” Zitat Ende, ist meinem Verständnis nach unprofessionell. Denn das ist nichts weiter als Ihre persönliche Meinung, hier gibt es kein Naturgesetz, das Fakten schafft, sondern einzig persönliche Eindrücke. Meine Meinung zum Beispiel ist völlig gegenteilig. Tarantino wegen der Detailverliebtheit als Vergleich heranzuziehen, mag formal korrekt sein und beeindruckt Leute, die sich nicht für Film interessieren. Filmisch jedoch ist der Vergleich, meiner Meinung nach, jedoch völlig daneben.
Sie verwenden das hübsche Wort Akribie. Alfred Hitchcock war akribisch. Martin Scorsese gilt als akribisch. Ridley Scott gilt als extrem akribisch. Peter Jackson gilt als akribisch. Christopher Nolan gilt als sehr akribisch. Stanley Kubrick war extrem akribisch. Steven Spielberg gilt als akribisch. Sergio Leone war akribisch. Sam Peckinpah war akribisch. Und so weiter, und so weiter, … Akribie ist Bestandteil des Berufsbilds Regisseurs. Akribie als Vergleichsgrundlage zweier Filmemacher heranzuziehen – das erscheint mir absurd. Aber ich bin kein Filmjournalist.
WHAT THE FUCK
Zitat “… bringt gar Erotik in den Dschungel …” Zitat Ende. Ernsthaft? Wo bitte ist in diesem Film Erotik zu finden? Nicht alleine im Umstand, dass Melanie Thierry ein hübsches Gesicht hat, oder? Oder sind es die paar Sekunden Film, in denen man die Protagonistin pinkeln hört? Das wäre dann Fetischismus. Aber es ist ganz einfach, offensichtlich erkenne ich Erotik nicht, wenn ich sie sehe.
Ich bin, aber das ist wieder nur meine sehr persönliche Meinung, auch der Meinung, dass die Einführung des Charakters von Jean Reno nicht dazu angetan ist, ihn als Protagonisten zu bezeichnen. Man schaue sich die Kameraführung in diesen Szenen an, den Schnitt. So bringt man keinen Protagonisten ins Spiel. So zeigt man relativ unverblümt, was das für eine Figur ist. Antagonist wäre hier zutreffend.
Und ein Buddy-Movie ist dieser Film schon gar nicht. Auch nicht im Tarantino-Style.
Aber das ist nur meine Meinung.
Der Beitrag [REZENSION]: Da 5 Bloods erschien am 14.06.2020 auf JohnAysa.net …