Binsenweisheit: Film und Buch haben viel gemeinsam. Beide erzählen Geschichten und beide wollen wenigstens unterhalten. Aufwand und Methode sind der größte Unterschied. Und unlängst ist etwas passiert, dass beide Methoden einander etwas näher bringt.
Der von mir sehr verehrte John Carpenter hat seit 2010 bei keinem Film mehr Regie geführt – und das damals war The Ward, nicht eines seiner besten Werke. Seitdem gab es unter seiner Federführung bloß 2017 ein Musikvideo mit einer Neuaufnahme des Titelstücks von Christine (siehe unten). So cool es war, Christine wieder in Action zu sehen, es war ein Musikvideo, aber hey, man nimmt jeden Carpenter, den man bekommen kann.
John Carpenter ist zurück
Dafür hat er drei großartige Alben mit Musik, Lost Themes I, II, III, veröffentlicht, war auf Tour und gibt hin und wieder in seiner typischen Art No-nonsense Kommentare zu Filmen ab. Außerdem gibt es da einen Comic-Verlag, in dem er seine Finger hat – Storm King Comics, gegründet von seiner Frau, Sandy King. Am liebsten hängt er daheim ab und zockt. Und kann auf ein Filmschaffen zurückblicken, dass vollgeräumt ist mit Klassikern wie Assault on Precinct 13, Halloween, Escape from New York, The Thing, They Live (jedem der Titel gehört tatsächlich ein John Carpenter’s vorgesetzt).
Die zwei Absätze soeben enthalten tatsächlich Spuren von Fanboy, muss ich leider zugeben. Aber von allen Regisseuren, die ich schätze, steht Carpenter für mich an erster Stelle. Seine Filme haben mich angesprochen, seit ich ins Kino gehe – also seit Jahrzehnten. Bei Sergio Leone ist es ähnlich, schätze ich ebenfalls ungemein hoch. Klar, jede Menge anderer Regisseure auch, aber Carpenter am meisten. Seine Filme habe ich am häufigsten gesehen. Ich fürchte, nur so nebenbei, dass die beiden und die anderen Regisseure, die ich schätze, ziemlich deutlich machen, welcher Generation ich angehöre, har har har.
Nun ist bei Indie Wire ein Artikel erschienen, der auf zwei Arten sensationell ist. Zum einen, Carpenter hat angedeutet, dass es eventuell eine Fortsetzung zu einem der besten Filme überhaupt geben könnte – nämlich John Carpenter’s The Thing. Das an sich wäre schon allein eine Party wert. Der erste Versuch, ein Remake/Prequel zu drehen, ist zwar nicht sooo schlecht, wie alle Welt tut, aber der Regisseur dieses Films scheiterte am Studio, dass den Film ruinierte. Aber das ist eine andere Geschichte, die zwar interessant ist, aber nicht hierher gehört.
Nicht minder erfreulich ist der Umstand, dass John Carpenter tatsächlich und allen Ernstes eine TV-Serie gedreht hat! John Carpenter’s Suburban Screams. What the fuck? Wann ist denn das passiert und wieso hat die ganze Welt nichts davon gehört? Wie hat er das so heimlich gemacht? Es scheint auch völlig unklar, was das für eine Serie ist, worum es geht, wer spielt, wie viele Episoden Carpenter überhaupt selbst gedreht hat, und alles andere, wenngleich man aus dem Titel einige Rückschlüsse ziehen kann. Anthologieformat, Horror, im eher städtischen Umfeld angesiedelt.
Autor und Regisseur
ABER: Der Knaller dabei ist was ganz anderes: Die Serie wurde in Prag gedreht. Und Carpenter hat Regie geführt. Von daheim in Los Angeles aus, von der Couch. Via Zoom, Skype, wie auch immer. Also remote. Das ist bisher wohl einzigartig in dieser Form.
Und damit hat er Regie geführt wie ein Autor bei seinem Manuskript. Der sitzt auch daheim und dirigiert die Geschichte, in schriftlicher Form über die Tastatur, während der Filmemacher es mündlich über den Monitor gemacht hat. Aber beide haben auf grundlegende Weise dasselbe getan, daheim an einer Geschichte arbeiten.
Ist vielleicht ein wenig an den Haaren herbeigezogen, der Vergleich, aber die Ähnlichkeit ist durchaus gegeben, finde zumindest ich, und es ist ein prima Vorwand, einen Beitrag zu schreiben, und dabei John Carpenter ins Spiel zu bringen. War allerdings nicht so einfach, nicht freizudrehen und völlig ins Carpenter-Land abzurutschen.
Wie so viele Dinge wird es in diesem Fall auf mehrfache Weise interessant sein zu sehen, wie gut oder schlecht das Experiment gelungen ist. Jedenfalls ist es sicher so, dass der technische und logistische Aufwand, auf diese Weise Regie zu führen, ungleich höher als bei einem Autor ist, der einzig von sich selbst und seinem Laptop abhängig ist.
Aber am Ende steht hoffentlich eine unterhaltsame Geschichte, die ihr Publikum findet. Und mehr habe ich dazu im Moment nicht zu sagen. Aber ich freue mich auf jeden Carpenter in jeder Form, der noch kommt.
Danke fürs Lesen. Passt auf euch auf und seid freundlich zueinander.
John
Vorsicht, Beiträge dieser Website können unter Umständen Spuren von Humor, Satire und Zynismus enthalten (der Autor enthält sie gewiss).
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Der Beitrag [REMOTE-REGIE]: Autor und Regisseur erschien am 05.06.2023 auf JohnAysa.net …