UPDATE vom 14.06.2023 am Ende des Beitrags
Ich habe derzeit nur mehr einen Roman bei einem Verlag. Die Skurrilität daran ist, dass dieses Buch schon seit einem Jahr nicht mehr bei dem Verlag sein dürfte, weil der Autorenvertrag dafür abgelaufen ist. Das Werk war ein katastrophaler Reinfall, wie wohl die gesamte Reihe, in der es vor jetzt 11 Jahren erschien.Vor dem Erscheinen hatte der Verlag wegen zwei oder drei Elementen des Inhalts seine Bedenken und ich wurde vom Lektor gefragt, ob er das ändern dürfe und mir dann zeige. Dazu habe ich natürlich mein Einverständnis gegeben. Wäre auch Quatsch gewesen, das nicht zu tun.
Leider wurde ich nie wieder kontaktiert und das Buch erschien letztlich mit Änderungen, zu denen ich mein Einverständnis nicht gegeben hatte, weil sie mir nie vorgelegt worden waren. Und da ich mich verarscht gefühlt hatte, aber keinen Sinn darin sah, deswegen einen Aufstand zu machen, habe ich mich nie wieder mit dem Buch beschäftigt. Für mich war es ruiniert. Das war vielleicht unreif und absurd, aber tja, ich war so stolz auf das Werk (Auf die Urfassung bin ich das immer noch), und dann war es veröffentlicht und bekam echt schlechte Rezensionen ab.
Und ab die Post:
Vor einiger Zeit wurde mir bewusst, dass das Buch schon seit einem Jahr zurück an mich gefallen war. Ich will es unbedingt restaurieren, da und dort modernisieren, die Lokalisierung weitgehend neutralisieren, und selbst nochmal rausbringen – in absolut angemessener Form dieses Mal. Nur, ich hatte keinerlei Schreiben bezüglich des Rückfalls der Rechte an mich und des Ablaufs des Vertrages erhalten. Interessant. Zugegeben, ich hatte in der Zwischenzeit 3x die Wohnungs-Adresse gewechselt, aber immer noch dieselbe E-Mail-Adresse, die beim Verlag gespeichert war. Okay, also wenn die sich nicht melden, dann muss ich es wohl tun.
Das ist schon mal nicht sehr schön, wenn man den eigenen Rechten nachlaufen muss, aber gut, vielleicht war beim Verlag intern alles abgehakt und erledigt und ich war einfach nicht informiert worden. Ist ja nichts Besonderes, als Betroffener irgendwas zuletzt zu erfahren. Also habe ich die Verlagsleitung angeschrieben. Meine erste Mail ging am 19.04.23 raus, eine automatische Antwort hat mich auf den 24.04. verströstet, wegen der London Book Fair. Okay, kein Thema, Messe, Rechtehandel, verstehe. Na ja, der 24.04. kam und ging, ich dachte, dort wird es einen Mail-Rückstau geben, der abgearbeitet gehört, gedulde dich. Habe ich bis zum 03.05.2023 auch getan, dann habe ich nochmal geschrieben, und bekam zwei Tage später tatsächlich eine sehr freundliche Antwort. Immerhin.
Kurz gesagt, ich hätte natürlich Recht und das dürfte nicht sein. Also ein “ups”, zwar ohne Entschuldigung, aber das wäre wohl zu viel erwartet. Die an mich gerichtete Mail hatte auch einen zweiten Empfänger, den Marketingleiter des Verlags, der mir daraufhin noch eine extra Mail schickte, in der er mir sehr freundlich und entschuldigend versicherte, er würde sich darum kümmern. Er schrieb, dass es bei Amazon immer etwas länger dauere, aber nicht so lang. Äh, ja? Meiner eigenen Erfahrung nach geht das zurückziehen eines Titels bei Amazon innerhalb weniger Tage. Selbst wenn man einen Distributor hernimmt, wie das ein Verlag ziemlich sicher macht, dürfte es keine 12 Monate brauchen. Außerdem, so schrieb er mir, hätte er einen sogenannten Fall aufgemacht.
Was ist denn ein sogenannter Fall? Und bei wem wurde der eröffnet? Beim Distributor? Bei den Händlern? Witzigerweise ist es ja nicht nur mein Buch, welches sich immer noch in den Online-Läden findet, auch andere Werke der eingestampften Reihe sind noch erhältlich. Aber da kenne ich natürlich nicht die Umstände, deshalb, mag seine Richtigkeit haben. Ist letztlich für mich auch unbedeutend. Na gut, also ein Fall.
16 Tage später war das Buch immer noch lieferbar, zumindest bei den beiden größten Online-Händlern mit Büchern und E-Books, die in DE anwesend sind. Hat mich doch überrascht, 16 Tage dürfte es nicht dauern, ein Buch aus dem Handel zu ziehen – zumindest ist das meine Erfahrung. Habe ich doch mehrmals gemacht, war noch nie ein Thema, das nicht binnen weniger Werktage geschafft war. Wenn das für mich als Self-Publisher geht, dann muss das ein Verlag bzw. sein Distributor doch noch einfacher hinkriegen, so denkt man ganz naiv. Oder? Vor allem, wenn ein “Fall” eröffnet wurde.
Teil 2:
Also, am 21.05, die besagten 16 Tage später, habe ich den guten Mann angeschrieben und gefragt, was denn jetzt Sache sei? In der Antwort stand, dass der Verlag bei beiden Unternehmen (also doch kein Distributor, sondern der Verlag selbst als Distributor?) einen sofortigen Stopp gefordert habe, da die Titel aus dem VLB genommen seien. Der eine Händler hätte auch schon rückgemeldet, dass das Buch gestoppt würde. Und dass man beim anderen Händler einen Fall eröffnet habe. Er meldet sich, sobald er alles hat. Immerhin hat mir das die Sache mit dem “Fall” etwas klarer gemacht.
Aus reiner Neugierde, weil ich nach der Reklamation nichts weiter vom Verlag gehört habe, habe ich nochmal nachgesehen. Am 31.05.23, neun Tage nach der Reklamation, war das besagte Buch IMMER NOCH lieferbar. Auch dort, wo man angeblich zugesagt hatte, es aus dem Verkehr zu ziehen. Ernsthaft? Neun Tage nach Zusage des Vertriebsstopps ist das Teil noch immer erhältlich? Wer verarscht denn eigentlich hier wen? Die Händler den Verlag, wie es aussieht. Ist wohl nicht schwer, der Verlag hat vermutlich insgesamt weniger Personal als die Marketingabteilung von Random House in München. Also lächerlich unbedeutend für die geballte Macht der beiden Händler.
Mir ist kein Schaden entstanden, wie gesagt, das ganze Projekt war ein beispielloses Fiasko, dass sich mir schon angedeutet hat, als ich das Cover zum ersten Mal zu Gesicht bekommen habe. Völlig vorbei und daneben, ein Marketingdreck von Entwurf, der das komplett verkehrte Publikum anvisierte. Urbane, junge Leute, die leichte Lektüre in kleinen Happen schätzen und etwas alternativ angehaucht sind – das war wohl als Publikum für die Werke gedacht. Einheitliche Covergestaltung für alles in der Reihe. Und was war mein Buch? Zombies, Splatter, Apokalypse, Science-Fiction. Mit Sex und Eingeweiden. Passt doch perfekt, oder?
Wenn ich mir die spärlichen Abrechnungen in Erinnerung rufe, die auch nicht alle Jahre dahergekommen sind, dann hat das arme, misshandelte Buch vielleicht fünfzig Käufer in 10 Jahren gefunden. Ein unvorstellbarer Flop. Ich habe bei meinen selbst publizierten Büchern auch ein paar Misserfolge dazwischen, aber nichts war ein derartiges Fiasko wie dieses Verlagswerk. Ich habe für das Buch einen Vorschuss bekommen, der für ein Buch, das rund 500 Seiten im Print aufbringen würde (es ist nie als Print erschienen, nur als E-Book) nicht sonderlich hoch war. Der Vorschuss wird mit den Verkäufen gegengerechnet, heißt, der Autor verdient erst am Verkauf, wenn das Buch die Summe des Vorschusses eingespielt hat. Das bedeutet, das Buch muss gut gehen, um Tantiemen zu bringen.
Publiziere ich ein Buch im selben Umfang zum selben Preis selbst, dann habe ich zwar keinen Vorschuss, aber ich verdiene an jedem einzelnen Exemplar deutlich mehr als es bei einem Vertragswerk der Fall ist. Was auf lange Sicht gesehen deutlich lukrativer ist. Werbung für ihre Werke müssen auch die Verlagsautoren selbst machen, und wenn man nur ein “Midlist-Autor” ist, also einer, der im Programm ist, aber niemals ein Buch verfasst, dass der Verlag als Spitzentitel des Monats ansieht, dann wird das Werk nur wenig öfter in einer Buchhandlung irgendwo im Regal stehen, als es beim Self-Publisher der Fall ist. So what?
Und was jetzt?
Was hier einfach nur stört ist, dass man als Autor der Erfüllung eines Vertrags nachlaufen muss, bei dem klar ist, dass der Verlag ihn auch selbst gern los wäre. Kann ich mir nur zu gut vorstellen. Das nervt und verleidet einem das Verlagswesen. Ich bin nicht mal wirklich böse oder verärgert über den Verlag. Aber es nervt trotzdem, der Säumigkeit anderer so nachlaufen zu müssen.
Wenn ich als Self-Publisher meine Werke innerhalb von wenigen Tagen offline habe, wieso soll das ein Verlag nicht schaffen? Weshalb muss hier ein “Fall” eröffnet werden? Ich denke mal, ich warte noch ein paar Tage, bis Mitte nächster Woche bin ich sowieso voll eingespannt, dann werde ich neuerlich nachfragen. Wie gesagt, ich habe nicht viel zu verlieren, deshalb schaue ich mir das eine Weile an, weil es einfach nur jenseits der Lächerlichkeit ist. Nicht nur, dass das Buch seit meiner ersten Reklamation inzwischen ein Monat nicht aus dem Handel verschwunden ist, nein, passiert der ganze Mist auch noch ein Jahr, nachdem der verdammte Vertrag abgelaufen ist. Und selbst wenn ich akzeptiere, dass es problematisch sein kann, ein Buch aus dem Handel zu ziehen, dann ist immer noch der Umstand, dass der Verlag sich nie darum gekümmert hätte, wäre nicht meine Nachfrage gewesen. Und das ist … so falsch, wie es nur sein kann.
Sowas wie das ist die beste Werbung für mich als Autor, auf einen Verlag völlig zu verzichten und alles selber zu publizieren. Wenn ich schon nahezu nichts an einem Buch verdiene, dann erspare ich mir wenigstens den Ärger, meine Rechte irgendwo zurückfordern zu müssen, weil ich sie nie aus der Hand gegeben habe. Ist zwar mehr Arbeit zu Beginn, aber wenn man den Bogen raus hat, ist es wie alles, was man beherrscht, Routine. Also, warum nicht?
Ich werde bei nächster Gelegenheit noch einen kleinen Artikel nachschieben über ein paar andere kleine Begebenheiten, die mit Verlagen zu tun haben. Positiv wie negativ.
Updates folgen.
Danke fürs Lesen. Passt auf euch auf und seid freundlich zueinander.
John
UPDATE VOM 14.06.2023: Habe heute ein Schreiben vom Verlag und dem freundlichen Marketing-Mann bekommen, dass das Buch nun endlich offline genommen ist. Die kurze E-Mail enthält die Sätze “Normalerweise werden Bücher im VLB archiviert und als vergriffen gemeldet. Damit war es für meine Kollegin und mich erledigt…” Irgendwo scheint es also in dieser Kommunikation unterschiedlicher Datenbanken miteinander gehakt zu haben. Wenn man das System als zuverlässig kennt, wird man wohl auch keinen Kontrollblick auf die Sache werfen. So hat wohl auch ein Jahr vergehen können, ohne dass die Sache aufgefallen wäre.
Dass hier ein offenbar gängiges System versagt hat, relativiert die Sache ein wenig. Es ist damit tatsächlich kein Versäumnis des Verlags, sondern ein Gebrechen, dass unbemerkt blieb. Und mehr lohnt sich nachträglich auch nicht, dazu zu sagen. Es war so. Ich bin im Gegenteil eher froh, dass es “nur” diese Art Hoppla war.
Hätte ich nicht nachgefragt, es wäre nie aufgefallen. Das ist die unangenehme Sache daran, sich auf so viele unterschiedliche Sachen nicht mehr verlassen zu können, sondern wegen jedem Dreck selbst nachschauen zu müssen. Kostet Zeit, Nerven, schlimmstenfalls auch Geld und ist eigentlich eine Rückentwicklung. Für einen Autor bedeutet so etwas, auch wenn es in der Form absolut nicht die Regel ist, aber ein Symptom für so viele Dinge, die schiefgehen können, er sollte sich ernsthaft überlegen, ob ein Autorenvertrag überhaupt anstrebenswert ist.
Wenn ich ohnehin schon selbst die alleinige Werbung für mein Werk machen muss, und der Titel kaum je in einer Buchhandlung aufliegt oder überhaupt nur im Regal steht, und es doof werden kann, wenn es um Recht geht, weshalb sollte ich mir all das antun? Ist es nicht lohnender, ein paar Fähigkeiten zu erlernen, und den Scheiß selbst in die Hand zu nehmen? Ich denke schon. Wenig verdienen kann ich auf lukrativere Weise definitiv als Self-Publisher.
Vorsicht, Beiträge dieser Website können unter Umständen Spuren von Humor, Satire und Zynismus enthalten (der Autor enthält sie gewiss).
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Der Beitrag [PUBLISHING]: Eigene Werke und Verlage erschien am 02.06.2023 auf JohnAysa.net …