Folgender Text ist eine UNKORRIGIERTE LESEPROBE EINER ERSTEN FASSUNG!
Als Termin zur Veröffentlichung angepeilt wird das späte Frühjahr 2022.
Das hier gezeigte COVER ist einzig für die Leseprobe.
Grammatik und Rechtschreibung sind nicht letztkorrigiert. Die Leseprobe dient ausschließlich dazu, einen Vorgeschmack auf Stil und Stimmung des kommenden Romans zu bieten. Auch kann sich folgender Text noch drastisch ändern – es steht noch mindestens eine Überarbeitung aus. Das Cover wird sich vermutlich ebenfalls deutlich ändern.
Kapitel 101: [Geysir der Unlust]
Sie starrt. Der Geysir steigt zehn, fünfzehn Meter in die Höhe. Es plätschert und prasselt, der Wind treibt die Fontäne von ihr fort. Das ist ihr Glück. Selbst für sie, die viele merkwürdige Dinge gesehen und ertragen hat, ist ein derartiges Schauspiel neu und ein Anblick, der verblüfft.
Der Geysir besteht aus flüssigen Fäkalien. Es ist eine Fontäne aus Scheiße, die hier unter hohem Druck aus der Erde gepresst wird. Sie ist nicht gewillt sich vorzustellen, wie dieses abstoßende Wunder zustande kam, was es am Leben erhält. Es gibt verzichtbares Wissen.
Vorsichtig tritt sie einige Schritte zurück. Sollte sich der Wind drehen, was unmöglich vorauszusagen ist, bekäme sie nicht nur die volle Wucht des Gestanks ab, was schon schlimm genug ist. Sie kann diesen blubbernden und zischenden Turm aus flüssiger Scheiße deutlich riechen, obwohl der Wind den erstickenden Geruch von ihr fortträgt.
Nein, eine Änderung der Windrichtung hieße überdies, dass sie eine Dusche aus Scheiße abbekäme. Das wäre nicht das erste Mal, dass sie in mehr oder weniger flüssigen Fäkalien untertaucht, aber ist sie nicht dazu gezwungen, verzichtet sie gern darauf.
Trotz der widerlichen Eigenheiten des Phänomens ist sie davon fasziniert. Die Mutationen des Lebens, die Veränderung der Umwelt, alles geht schneller voran, als es vor ein paar Jahren der Fall war. Und es kommt anders, als irgendjemand hätte voraussagen können. Wissenschaftler wären dazu vielleicht in der Lage gewesen, aber es gibt keine mehr.
Die mit einem hässlichen Tritt in den Arsch beschleunigte Evolution gerät zunehmend außer Rand und Band, wandelt sich zu einer dauerhaften Mutation. Es ist nicht lange her, da war der Drool einer der gefährlichsten Predatoren, die Jagd auf Menschen machten. Inzwischen ist er zur Bedeutungslosigkeit verdammt, eine im Aussterben begriffene Spezies, dem sich ausweitenden Krieg der Gene hilflos ausgeliefert.
Sie ist überzeugt, dass es nicht lange dauern wird, bis der Rest der Menschheit im großen Spiel der Wandlungen auf eine Nebenrolle reduziert wird, ins Vergessen abdriftet. Der Weg dorthin ist vorgezeichnet und erscheint unaufhaltsam.
Tauchen eines fernen Tages Aliens hier auf und betrachten das Leben, werden sie keine dominierende Spezies finden, sondern zahlreiche, mehr oder weniger fortgeschrittene Arten, die mit brutaler Gewalt gegeneinander vorgehen und um Dominanz kämpfen.
Was sie angeht, ist ihr das herzlich egal. Vielleicht war die Entwicklung unabwendbar, vielleicht ist sie notwendig, um der einst vorherrschenden Spezies einen erfolgreichen Neustart zu ermöglichen, raus aus der Sackgasse, in die sie sich manövriert hat. Was immer kommen mag, sie ist genetisch gerüstet, Widerstand zu leisten und sich anzupassen.
Ob zu ihrem Vorteil oder Nachteil, weiß sie nicht, kümmert sie letzten Endes wenig. Es ist unabänderlich. Damit bleibt nicht viel anderes übrig, als die Entwicklung abzuwarten und zu sehen, was passiert. Friss oder stirb. Das ist alles.
Darauf geschissen, schlicht und ergreifend. Was ihr vor dem Untergang der Zivilisation angetan wurde, erweist sich perverserweise als Vorteil. Es hat ihr ermöglicht, Begegnungen zu überstehen, die normalerweise kein Mensch überlebt.
Das Leben geht seltsame Wege und sie ist die Letzte, die das nicht mit stoischem Gleichmut zur Kenntnis nimmt und sich daran anpasst. Alles andere ist überflüssige Dummheit.
Der Wind dreht sich und sie bekommt einen Schwall vom Odeur des Scheißegeysirs ab. Sie kotzt augenblicklich.
Taumelnd weicht sie zurück, während der Mageninhalt hochgewürgt auf den schwammigen Boden prasselt. Verdammt, sie war eine Spur zu langsam. Sie streift das Gepäck ab, stolpert einige Schritte zur Seite und würgt nochmal. Un-scheiß-glaublich, wie bestialisch der Gestank ist. Sie hätte sich nie vorgestellt, dass es einen Unterschied macht, ob Scheiße körperwarm oder nahe am Siedepunkt ist.
Tag und Nacht können kaum verschiedener sein.
Die Würgekrämpfe sind schmerzhaft und das Erbrechen übt Druck auf die Blase aus. Es dauert eine Weile, aber irgendwann ist ihr Magen geleert. Sie würgt noch ein paarmal Luft, richtet sich auf, spuckt aus, wischt den Mund ab, dreht sich herum. Ein Miniatur-Tsunami aus heißer, flüssiger Scheiße fegt sie von den Füßen. Sie schlittert über den Boden, pflügt durch einen See aus Fäkalien.
Sie prustet und spuckt und stößt einen Wutschrei aus, und rappelt sich auf Hände und Füße. Etwas packt sie am Handgelenk.
Mit geweiteten Augen starrt sie auf die matschbraunen schmierigen Klauenfinger, die aus dem Boden wachsen, sie festhalten. Sie befreit sich mit einem kräftigen Ruck, nur um am anderen Arm gepackt zu werden, um einen Zugriff an den Oberschenkeln zu spüren.
Wütend wirft sie sich herum, reißt und strampelt, tritt zu. Kommt in eine hockende Position. Etwas prallt schwer gegen sie, lässt sie neuerlich zu Boden gehen. Ringsum spritzt Scheiße auf. Ein Windstoß treibt die Fontäne in ihre Richtung, schickt einen Wolkenbruch aus Fäkalien über sie.
Ungläubig weiten sich ihre Augen, als sie sieht, wie sich aus dem Regen eine Gestalt bildet, die nach ihr greift. Hastig wendet sie sich ab, läuft Richtung Gepäck. Etwas stellt ihr ein Bein, sendet sie Kopf voran in einem verunglückten Hechtsprung auf die schlammige Erde.
Sie wirbelt und tritt, schlägt mit beträchtlicher, von Wut genährter Kraft um sich, bäumt sich auf. Kommt frei. Eine Freakwelle prallt gegen sie und die Faust, die sich darin bildet, trifft sie mit brutaler Wucht ins Gesicht. Scheiße spritzt in alle Richtungen davon.
Sie geht zu Boden und verliert das Bewusstsein.
***
Als sie wieder zu sich kommt, ist sie gefesselt, nackt und liegt in einem Pool aus Scheiße. Es ist dunkel und sie kann den Geysir blubbern und plätschern hören. Selbstredend hat sie jemand oder etwas aus ihrer Kleidung geschält.
Wie soll es in einer Welt, in der ausschließlich das Recht des Stärkeren regiert und niemand irgendeine Form von Gesetz respektieren muss, sonst sein? Im Gegenteil ist es so, dass der Umkehrschluss gilt. Alles andere als ein Strip hätte sie zutiefst überrascht und beunruhigt.
Ist sie nackt, hat sie eine klare Vorstellung davon, welches Schicksal ihre Schergen für sie vorgesehen haben. Vergewaltigung, Folter, Tod. Alltagskram eben, nichts Neues. Damit kann sie umgehen. Hat sie stets und ohne Probleme können, sonst wäre sie in den zurückliegenden Jahren Dutzende Tode gestorben. Dass sie immer noch am Leben ist, spricht Bände für ihre Fähigkeiten.
An Nacktheit stört sie sich nicht. Sie hat mehr Zweikämpfe, Entleibungen, Scheißebäder und sexuell motivierte Misshandlungen ohne Kleider am Leib überstanden, als es angezogen der Fall war. Es ist makaber, aber dass man sie auszieht, ist fast schon ein Ritual.
Manchmal wollte man sie auch fressen. Aber so, wie sie aussieht, ist ihre Nacktheit oft dazu angetan, das Gegenüber abzulenken und gelegentlich sogar zu verwirren. Zahlreiche Tätowierungen, Piercings, das eine oder andere Branding. Voller Busen, gepiercte Brustwarzen, schlanke Beine.
Schon ein Blick zu viel gereicht ihr dann zum Vorteil.
Nutze die Waffen, die du hast. Und wenn das der Anblick deiner Möse ist, meine Güte, dann zeig sie her. Das tut nicht weh, eröffnet dir aber die Möglichkeit, Eingeweide aus einem Körper zu reißen.
Dass sie jetzt von Kopf bis Fuß mit Scheiße bedeckt ist, meine Güte. Das ist eine altvertraute Erfahrung, die sie nicht schätzt, die sie aber ebenso wenig erschüttert. In gewisser Weise ein ungewolltes, in unregelmäßigen Abständen abgehaltenes Ritual. Eher ekelig, aber abwaschbar.
Vorsichtig setzt sie sich auf. Ihr Körper löst sich mit saftig schmatzenden Geräuschen aus der klebrigen Molasse. Den Schmatzlauten haftet echt ein unappetitlicher Beigeschmack an. Den Schwall von Gestank nach Scheiße, der ihre Bewegung begleitet, nimmt sie nur am Rande wahr. Sie hat sich an die Gerüche gewöhnt, sie sind Normalität und damit aus dem Bewusstsein verbannt.
In einiger Entfernung registriert sie ein flackerndes Lagerfeuer. Darum erkennbar schemenhafte Gestalten. Sie verzichtet darauf, nach ihren Sachen Ausschau zu halten. Die Prioritäten sind gesetzt. Erst das Ziel erreichen, dann die Scheiße loswerden und anschließend die Sachen suchen.
Sie testet die Fesseln. Scheint herkömmliches Faserseil zu sein. Sie biegt sich, macht ein Hohlkreuz, bis ihre Finger die Knöchel um die Fußgelenke spüren. Sie tastet umher, greift nach dem Knoten, beginnt zu zupfen. Faser für Faser löst sie aus dem Strang, bis der Knopf millimeterweise aufgeht. Ab da ist es ein Kinderspiel und schon bald hat sie sich auf die Knie gestemmt, steht auf.
Sie holt tief Luft, kugelt mit einem Ruck die linke Schulter aus. Teufel auch, das tut verflucht weh. Sie verdreht und windet sich, steigt durch den Knoten, bis sie die Arme vorm Körper hat. Dann beißt sie ins Seil, mahlt, sägt, kaut, reißt. Der Geschmack ist erbärmlich und buchstäblich beschissen. Keine fünf Minuten später ist sie die Fessel los.
Sie schnauft, der rechte Handballen schlägt gegen die linke Schulter, renkt sie mit einem schmerzhaft klingenden Knacklaut ein. Sie stöhnt, sinkt kurz in die Knie. Verflucht, das tut weh wie Sau.
Keine faulen Ausreden, mach weiter.
Drei Gestalten. Das ist überschaubar, leicht zu bewältigen, kein Problem. Selbst die doppelte Anzahl ist keine Herausforderung, ein Plan ist völlig unnötig. Die einfachste Lösung ist naheliegend – sie setzt sich in Bewegung, huscht die halbe Strecke auf das Feuer zu bedächtig und kampfbereit.
Sie ist sicher, dass irgendwo in der Nacht noch jemand lauern muss, das wäre zu einfach und vor allem erstklassig dumm, wenn da niemand Wache hält. Deshalb verzichtet sie für die verbliebene Distanz auf jegliche Vorsicht. Jetzt liegt ihr Vorteil eindeutig in der Geschwindigkeit.
Wie ein Raubtier beim Angriff auf Beute sprintet sie los, bemerkt dabei im Augenwinkel eine schemenhafte Bewegung. Wie vermutet. Ohne im Schritt innezuhalten, schlägt sie einen Haken, packt zu und reißt die Gestalt an sich. Erbärmlicher Gestank geht davon aus, ihre Hand fühlt sich schmierig an. Na wunderbar. Zeige- und Mittelfinger stoßen zu, krümmen sich und werden zurückgerissen.
Ein gedämpftes, matschiges Knacken, flüssiges Blubbern, gutturales Gurgeln, ehe der Schädel mit einem Geräusch zerrinnt, das verdächtig nach einem Eimer voll zähflüssiger Fäkalien klingt, den jemand aus Brusthöhe in einen Bach leert.
Das ist neu, ist ihr in dieser Form noch nicht untergekommen. Möglicherweise findet hier gerade der Erstkontakt mit einer neuen Spezies, geboren aus Scheiße, statt. Wenn dem so ist, dann wird das eine sehr kurze Begegnung, die unter Umständen ein ganzes Volk ausrottet. Faszinierend ist irgendwie das falsche Wort für diese Angelegenheit.
Was vom ersten Gegenspieler übrig ist, geht blubbernd und plätschernd zu Boden, während sie in Reichweite des Lagerfeuers gelangt. Der ungleiche Zweikampf hat nur ein paar Augenblicke gedauert.
Die Gestalten beim Feuer sind noch damit beschäftigt zu verstehen, was soeben passiert, als die Frau gleich einem Tsunami aus Scheiße über sie kommt. Wie du mir, so ich dir ist, wie in diesem Fall, ungemein befriedigend.
Sie läuft direkt in die Flammen, greift zwei Stücke Holz aus dem Feuer und rammt sie nach links und rechts, in die Schädel der einander gegenüber befindlichen Scheißewesen, die sich gerade erheben wollen.
Die Hölzer stoßen in die Münder und die Köpfe leuchten auf wie Halloweenkürbisse. Orangenfarbener Lichtschein dringt aus Mund, Ohren, Nase, Augen. Binnen Augenblicken ist das, was wie eine frische Schicht Schmiere auf dem Gesicht aussieht, getrocknet, verliert jegliche Farbe und wird rissig, staubfarben wie die Maske von Michael Myers und zerbröselt. Große und kleine Stücke fallen ab.
Die Gestalten kippen nach vorn ins Feuer und zerfallen beim Aufschlag in Aschewolken.
Zugleich hat sich die dritte Gestalt auf sie geworfen, sie mit der Wucht des Aufpralls zu Boden gerissen. Schmierig gleitet die von Scheiße triefende Kreatur über ihr herum, während sie mit wuchtigen Schlägen ihre Faust in den Schädel treibt, bis der schließlich zerplatzt. Die Gestalt zerfällt, rinnt über sie herab.
Fluchend rollt sie herum, richtet sich auf, wischt sich ab, so gut es geht. Sie sieht sich um. Außer der Pfütze aus Scheiße gibt es nicht viel zu sehen.
Sie zwinkert. Hat sie sich im flackrigen Licht des Lagerfeuers gerade geirrt oder …
Fuck. Nein. Die flüssigen Fäkalien haben sich in Bewegung gesetzt, rinnen auf einander zu. Das darf nicht wahr sein. Dieses ausgemachte Stück Scheiße setzt sich wieder zusammen. Das ist frustrierend.
Aber etwas stimmt nicht, entweder versagt ihr Körper oder sie kehrt in ihre wahre Form zurück. Dem Kopf am Ende eines absurd langen Wachsen Spinnenbeine aus den Schläfen. Schwankend versucht die Gestalt, sich aufzurichten. Sie kneift die Augen zusammen, als sich der Mund öffnet und ein Kreischen ausstößt, dass rau und schmerzhaft in ihren Ohren nachhallt. Der Schädel versucht, sich vom Hals zu lösen.
Sie tritt mit aller Kraft zu.
Die Ferse trifft den Schädel mit vernichtender Wucht unter dem Kinn. Der Kopf wird abgerissen, schleudert Scheiße spritzend in die Nacht davon. Der Körper zu ihren Füßen zuckt. Der Brustkorb bricht auf, ein zackiges Maul, das Einblick in sich windendes Gedärm gewährt.
Teufel nochmal, was ist das denn für eine Kreatur? Ein weiterer Amoklauf der empfindlich gestörten Evolution. Was immer es ist, es macht ein Hohlkreuz, stemmt sich hoch, um nach ihr zu schnappen.
Mit etwas beschleunigter Atmung reißt sie zwei brennende Äste aus dem Lagerfeuer und stößt sie in den abscheulich stinkenden Rachen. Ein hohes, verzerrtes Kreischen erfüllt das stockdunkel der Nacht. Das Wesen fällt zurück, zerrinnt und strebt auseinander. Es zischt und blubbert, heulende Laute erfüllen die mondlose Finsternis.
Aus der Dunkelheit ertönt ein Antwortlaut und die Frau schleudert eine ihrer Fackeln hinaus in die Schwärze. Mit einer dumpfen Explosion flammt ein Feuerball auf, das Kreischen reißt ab.
Das tödliche Feuer ist schneller als die flüssigen Fäkalien, die Flammen lecken darüber, zehren davon, als wären sie am Leben und genössen diesen Nektar. Der trockene, zerbröselnde Bereich wächst rascher, als der Matsch auseinanderstreben kann. Von einem zum nächsten Augenaufschlag erstarrt jegliche Bewegung in der grauschneefarbenen Spröde von Asche.
»Fuck«, stößt sie hervor. Seufzend kratzt sie sich. Die Sache wäre erledigt. Bleibt nur mehr eine ordentliche Reinigung und vor allem das Gepäck zu finden.
***
Sie wandert in spiralenförmiger Bewegung vom Lagerfeuer weg, jede kleine Erhebung am Boden mit improvisierten Fackeln anstoßend, bereit, auf der Stelle zurückzuweichen und das Scheit vorzustoßen. Weiß sie, ob es nicht mehr durch die Gegend wandernde Scheiße gibt? Eben.
Es dauert fast die halbe Restnacht, bis sie endlich ihr verdammtes Gepäck findet. Erleichtert will sie es aufheben, erstarrt aber mitten in der Bewegung. Da war doch was, an das sie sich … ah, ja. Verflucht.
Sie ist von Kopf bis Fuß mit trockener Scheiße bedeckt und stinkt abscheulich. Ihre Dreads stehen in alle Richtungen, in der Arschritze und zwischen den Beinen krümelt es abscheulich. Purer Ekel, schlicht und ergreifend widerlich. Sie kann unmöglich ihre Sachen versauen und das tut sie in dem Moment, in dem sie zugreift.
»Sexy«, ätzt sie.
Es empfiehlt sich dringend, eine gründliche und intensive Reinigung vorzunehmen, ehe sie ihr Hab und Gut zur Hand nimmt. Da wird ihr keine Alternative bleiben, so nervtötend die Angelegenheit auch sein mag. Dabei würde sie endlich so gern schlafen gehen. Es wäre bedeutend feiner, sauber zu erwachen. Ihr momentanes Körpergefühl ist nicht dazu angetan, sich entspannt aufs Ohr zu hauen. Es verlangt dringend nach einer gründlichen Reinigung und dem Gefühl von Sauberkeit.
»Scheiße.«
Sie ist frustriert.
Kapitel 102: [Straße der Verdammnis]
Misstrauisch verkniffene Augen betrachten den Trampelpfad. Der Weg windet sich durch eine tundraartige Ebene, die in eine Wüstenlandschaft aus nacktem Fels und Sand übergeht, läuft direkt auf einen schwarz brodelnden, von blutroten Blitzen durchzogenen Wirbelsturm zu, der in der Einsamkeit der Ödnis seine Runden zieht.
Pfeilschnell schießt ein rauchumflorter Strahl von Licht durch das himmelblau. Etwas verglüht, während es ungebremst durch die Atmosphäre rast. Weltraumtrümmer, Asteroiden, vom Himmel fallende Satelliten, es gibt viele Dinge, die schon jahrelang aus dem Trümmerorbit runterkommen. Man könnte meinen, dort oben findet ein Hausputz statt.
Zu ihrer linken Seite bewegt sich eine Staubschlange Richtung Wirbelsturm, die nahe an ihr vorbeiziehen wird, so sie nicht weitermarschiert. Eine Karawane. Genau gegenüber ragt ein Gebirge in die Höhe und ein paar Schritte zurück hat sie ihre Blase auf ein fettes Bündel Farne entleert, die klimatisch an vollkommen falscher Stelle gedeihen.
Symbolismus pur. Die Welt zeigt sich heute von Kopf bis Fuß in Omen gewandet. Nicht, dass sie sonderlich viel auf solche Dinge gibt. Doch manches Mal ist es lohnend, der Umwelt ein Mindestmaß an Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Oft genug entpuppen sich esoterisch erscheinende Symbole ihrer wahren Natur nach als Hinweise auf Geschehnisse in der Realität, auf die achtzugeben bedeutsam sein kann.
Am wenigsten Gefallen findet sie an dem, was direkt vor ihr liegt. Nicht der Sturm selbst, der ist ihr egal. Seltsame Wetter gehören zum Alltag, und sie hat jedes davon heil überstanden. Man muss wissen, wie mit dem hereinbrechenden Schrecken umzugehen ist und in den meisten Fällen reicht es, sich ein stabiles Versteck zu suchen.
Sich von klimatischen Launen abschrecken zu lassen ist lächerlich. Nein, es ist ihr Bauchgefühl, das zwickend kundtut, den Landstrich nicht zu mögen. Zwar kommt die herannahende Regel ebenso für diese Befindlichkeit in Betracht, da jedoch die Intensität des Unwohlseins sich mit jeder Vierteldrehung ändert, ist die Wahrscheinlichkeit gering einzuschätzen.
Nein, der Monatsblutung, so lästig sie auch ist, seit sie unerwartet und nach jahrelanger Unterbrechung wiedergekommen ist, kann sie in diesem Fall keine Schuld zuweisen.
Die rote Fee hat es drauf, anders zu nerven und seit dem Reboot des Blutens weiß die Frau wieder, wie wenig sie den monatlichen Zyklus mit all den lästigen Begleiterscheinungen vermisst hat. Menstruationstasse, Tampons, nichts davon ist einfach aufzutreiben. Von der Möglichkeit, ein Waschmittel zum Auskochen der Wäsche zu finden, ganz zu schweigen. Eher rennt sie gegen einen Waschnussbaum.
Und da dann gibt es noch die Parade der körperlichen Befindlichkeiten, die ihr während der Regelblutung den letzten Nerv töten.
Sie sieht sich um und kommt zum Schluss, dass es kaum verwunderlich ist, dass ihr Körper wieder einmal mit seinen Funktionen herumhantiert. Wie soll es anders zugehen bei dieser im steten, aufgezwungenen Wandel befindlichen Umwelt. Vor allem bei dem dem Chaos, das in ihrer Grundstruktur herrscht.
Nachdenklich reibt sie ihre Brüste. Sie schmerzen. Ja, die Regel ist im Anmarsch. Nervige Scheiße, Quell von Übellaunigkeit und Aggression.
Einer der Gründe, warum sie auf den zwickenden Bauch hört. Sie ist nicht in der Stimmung, sich auf Auseinandersetzungen einzulassen und die liegen unausweichlich voraus.
Am interessantesten erscheint das Gebirge, dessen Ausläufer einen geschätzten Tagesmarsch entfernt in der Ebene versickern. Sie zieht die zerfledderte Karte aus ihrem Gepäck zurate.
Zähne der Welt ist auf alle Fälle mal ein blöder Name. Sie starrt aufs Papier, dessen Laminierung in weiten Teilen abgewetzt ist, und versucht, Geheimnisse herauszulesen, die nicht mehr darin verborgen sind, schichtweise abgeschliffen, wie Winde die Berge abtragen.
Gibt der Fetzen Zellstoff die Gipfel halbwegs akkurat wieder, dann hat sie einen theoretisch machbaren Weg durch das Gebirge vor sich. Umgehen ist auch eine Möglichkeit, wenngleich ein deutlich längerer Weg. Ist sie schneller, wenn sie um das Gebirge herumgeht, oder wenn sie die anstrengendere, aber ungleich kürzere Route durch die Berge nimmt?
Die Wahl zwischen Pest und Cholera. Wo ist die Chance größer, niemandem zu begegnen? Quer durch, klar.
Ein starkes Argument, für einen Richtungswechsel. Sie steckt die Karte, eine Rarität, vorsichtig weg.
Fäkal-Geysire sind im Gebirge mit Sicherheit auszuschließen, daraus entsprungene Kreaturen ebenfalls. Das ist ein unschlagbares Plus. Betrachtet sie hingegen den Sturm am Horizont, ist nicht ausschließbar, dass die Wolken Fäkalregen entlassen.
Killerargument ist die Einsamkeit. Die wenigen Menschen, die den mutierten Planeten bevölkern, haben es nicht nötig, sich in derart unwirtliche Gegenden zu begeben. Unter den widrigen Umständen dieser Tage ist genug Platz vorhanden, um die Nachbarschaft dünn gesät und auf weite Distanz zu halten.
Weshalb also durch das Gebirge? Rundherum begegnet sie kaum mehr Menschen. Sie weiß es nicht. Vielleicht ist ein einfach nur eine Querulantin und Spinnerin, die partout eigenwillig sein möchte, selbst wenn es vollkommen sinnlos ist. Sie grinst über die Gedanken.
Fein, damit ist die Sache geklärt. Sie wird eines dieser Bergtiere geben … wie heißen die Viecher nochmal? Gewitterziegen?
Möglich. Oder auch nicht.
Klingt merkwürdig, findet sie. Aber da ihr kein anderer Begriff einfällt, wird es schon passen. Erinnerungen an das, was einst war, sind nicht zuverlässig. Und überhaupt, wen kümmert es, ob diese Viecher wirklich Gewitterziegen oder Hornbrecher oder Fickfelle heißen?
Die Menschheit ist im Arsch, der Rest scheißegal.
Hingegen ist eine gute Ausrüstung von Bedeutung. Warmes Gewand, Schuhe, die sie sicher durch Eis und Schnee bringen, solche Sachen eben. Vorräte an Lebensmitteln. Dinge für wenigstens ein paar Lagerfeuer.
Sie verzieht das Gesicht. Klingt nach Plackerei. Ob sie wirklich … naja, andererseits, sie trägt jetzt ebenfalls ein ordentliches Gepäck mit sich. So viel mehr wäre es gar nicht, mit garantiertem Schwund. Wieder kein Argument gegen die Bergtour.
Das warme Gewand ist das größte Problem, aber sie hat es nicht eilig. Wenn sie alles hat, geht sie, vorher nicht. Sie verfügt zwar über erstaunliche körperliche Fähigkeiten, aber selbst diese Kräfte sind nicht grenzenlos und ausgerechnet am Arsch der Welt austesten, wie weit sie gehen kann, erscheint ihr dumm.
Zeit ist jedenfalls kein Problem. Davon kann und wird sie soviel verbrauchen, wie es ihr nötig erscheint, um eine adäquate Adjustierung zu finden.
Ihr Blick wandert nach links. Dort zieht die Staubwolke, unbeeinflusst von ihren Überlegungen, weiterhin ihrer Wege. Es gibt mehrere Möglichkeiten, was die Entstehung eines solchen Phänomens betrifft. Eine davon ist eine Karawane von Händlern. Das wäre phänomenal passend.
Sie streift ihr Gepäck ab, schiebt unter anderem zwei Messer und eine Pistole ein, schultert ihr geliebtes Sturmgewehr, ein zerkratzt und geschunden aussehendes AUG A3, das tadellos und zuverlässig funktioniert. Zu guter Letzt schiebt sie einen Schlagring in die Jacke. Man kann nie wissen.
Sie versteckt ihre Sachen, bis sie nur anhand von Orientierungspunkten in der weiteren Umgebung das Gepäck aufzufinden in der Lage ist. Dann ist sie zufrieden und schlendert der Staubwolke entgegen.
Bis der Tross in ihre Reichweite kommt, dauert es eine Weile und so hat sie Zeit genug, über eine erkleckliche Anzahl von Variablen und dazu passenden Handlungen nachzudenken.
Händler sind mehr denn je und buchstäblich Halsabschneider.
Aber das macht nichts.
Mit Schneiden kennt sie sich aus.
ZWEITES BUCH: SADISTICO IM GEBIRGE
Kapitel 201: [Schneeaugen]
Blendendes schneeweiß umgibt sie von allen Seiten, spiegelt sich in den kalten Augen, die konzentriert auf ein Papier starren. Das Blatt ist alt, zerknittert und vergilbt, eingerissen und kaum mehr als Abfall. Eine kleine Kostbarkeit, die entfernte Ähnlichkeit mit Papyrus aufweist, ohne ansatzweise mit dessen qualitativen Merkmalen mithalten zu können.
Ein Relikt vergangener Zeiten, das einzig für sie von Bedeutung ist.
Die Farbe der Pupillen gleicht jener des Schneetreibens, das die Welt ausblendet, und die Frau in die lärmende Stille eines eisig klirrenden, stürmischen Kosmos der Einsamkeit wirft.
Erfüllt von nahezu stoischer Ruhe hat sie die heulende Wut der ringsum tobenden Elemente ausgeblendet. Sie ist fokussiert, auf den inneren Frieden, die wortlose Stille einer Kampfpause des persönlichen Psycho-Universums. Sie schöpft Kraft und kreiert.
Sie zeichnet.
Isolation und Menschenfeindlichkeit der Umgebung tangieren She nicht im mindesten, sonst hätte sie nicht diese Route gewählt. Die Vorfreude auf die eine ganz besondere Erfahrung erfüllt sie mit innerer Zufriedenheit. Irgendwann auf der Reise, irgendwo auf einem Gipfel wird sie das Gefühl haben, das einzige menschliche Wesen im Universum zu sein.
Der ultimative Sinneseindruck von Einzigartigkeit und Einsamkeit. Sähe sie sich gezwungen, diese Erwartung mit einem Gefühl zu benennen, wäre es sexuelle Erregung.
Aber niemand fragt sie und sie braucht keine ungestellte Frage beantworten.
Kein Mensch ist so flexibel und tolerant wie sie, die das psychische Rüstzeug besitzt, derartigen Anfeindungen der harschen Umwelt und der tobenden Elemente zu trotzen, der bevorstehenden emotionalen Überwältigung.
Die Wächter ihres Unterbewusstseins vernehmen über dem klagenden Winseln und dem wütenden Schreien des Sturms einen Laut, der nicht den wild bewegten Lüften entsprungen ist. Sie blickt vom Papier auf, blinzelt zum verbarrikadierten Eingang des Unterschlupfs, lauscht.
Da.
Das zornige Weiß der Welt verbirgt einen der hier ansässigen Bewohner, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf der Suche nach Essbarem. Ein Happen wie sie käme dem Wesen dort draußen recht. Das zur Verfügung stehende Sortiment ist das gesamte Jahr von bescheidener Vielfalt und ungestillter Hunger der permanente Begleiter der Kreatur.
Nicht, dass sie sich je den Kopf über den Sinn darüber zerbrochen hätte, warum in einer solchen Gegend überhaupt Leben existiert und wie es bestehen kann, aber in diesem Moment erscheint es ihr idiotisch. Was für ein jämmerliches Dasein mus die Kreatur fristen, wo es anderswo leichter leben könnte.
Evolution ist eine bemerkenswert seltsame Scheiße und jetzt, da sie beschleunigt und willkürliche Mutationen hervorbringend die Welt verändert, wird sie noch merkwürdigere Dinge als die Kreatur im Schnee gebären.
Sie lauscht, nimmt keinen akustischen Hinweis wahr, dass für sie in irgendeiner Form eine Bedrohung heranwächst. Damit senkt wieder den Kopf und mustert mit schneeweißem Blinzeln das Papier.
Der Bleistiftstummel zeichnet Linien, schraffiert.
Im flackernden Licht des Lagerfeuers mustert sie ihr Werk. Es ist schlicht und komplex, die Linien sind klar, es gibt keine großen, einfarbigen Flächen. Das gefällt ihr. Was sie gezeichnet hat, fügt sich in das Gesamtbild der bisherigen Bilder, die sie zieren und eine Geschichte erzählen.
Sie ist zufrieden und faltet das Blatt mit bedächtiger Vorsicht zusammen, verstaut es in einem eselsohrigen Buch, um es vor weiteren Schäden zu bewahren. Das Kunstwerk verschwindet in den Tiefen des Gepäcks ihrer winzigen Höhle, kaum mehr als eine Vertiefung im von den Unbilden des Wetters leidgeprüften Fels.
Ein weiteres Mal lässt die Kreatur ihr Wiegenlied der Einsamkeit hören. Wer schleicht hier herum, bei Nacht und Sturm? Ihr Blick fällt auf das Sturmgewehr, das unter diesen Bedingungen den größten Nutzen als Keule vorweisen kann.
Sie wartet, aber das Geheul bleibt aus. Der Sturmsänger hat gefunden, was er begehrt, oder er ist weitergezogen, aus ihrem Wahrnehmungsradius geraten. Das akustische Abbild der Welt, mehr eine Ahnung als handfeste Realität, präsentiert sich wieder frei von Störgeräuschen.
Die Frau mit den schneeweißen Augen zieht die Hose runter, hockt sich einen Schritt von Hab und Gut entfernt nieder, pisst. Der dampfende Strahl formt einen gelbgetönten Krater im Schnee. Ihre Nüstern blähen sich, sie schnuppert nach dem Geruch ihrer Ausscheidung, hält zwei Fingerspitzen ins spritzende Nass, kostet.
Die überaus sensiblen Geschmacksnerven nehmen nichts Besorgniserregendes wahr. Sie ist sauber und erfreut sich bester Gesundheit. Bis sie die Hosen hochgezogen hat, ist ihre Pisse von einer dünnen Schicht Eis überzogen.
Ihr Finger bohrt ein Loch in die Wehe, die den Eingang zu ihrem Unterschlupf zur Außenwelt hin verschließt. Sie blinzelt in den Blizzard.
Fleckiges Weiß mit Schatten und Bewegungen. Mehr ist nicht zu erkennen. Das Unwetter tobt sich zwischen Steilwänden, Schluchten und Tälern aus. Es rast um Grate, schleift Gipfel ab, zerrt in tieferen Lagen an eisgepanzerten Bäumen. Nichts und niemand wird sie hier finden, wenn sie es nicht will.
Welch verlockende Vorstellung, einfach eine Pause einzulegen und innehalten, wie eine Schildkröte Kopf und Beine einziehen und schlicht nichts tun. Wer weiß, vielleicht findet sie hier in den Bergen den Weg zur Schildkröte in sich. Wer weiß, vielleicht ist sie genetisch schon eher einem dieser seltsamen, wunderbaren Tiere ähnlich als ihrer menschlichen Herkunft. So viele Veränderungen in den letzten Jahren, es würde sie nicht wundern.
Andererseits ist dieses Gedankenspiel vollkommen bedeutungslos. Die traurigen Reste der Menschheit sind ohnehin nicht in der Lage, eine Untersuchung darüber anzustellen und einen wissenschaftlich-philosophischen Diskurs wird auch niemand führen wollen.
Weshalb also über Menschsein und die gesellschaftliche Vorstellung von dementsprechender Normalität nachdenken? Hätte sie heute hundert Personen dazu befragt, wüsste die Hälfte davon nichts mit der Frage anzufangen, vierzig Gefragte wären mit Gewalt gegen sie vorgegangen und der Rest hätte sie gern gefickt. So viel dazu.
Was also ist geblieben? Die vollkommene, auf das einzelne Individuum angepasste Subjektivität der Realität, das totale Zersplittern einer Spezies in Fraktale, die sich auf ähnlichen Kursen im selben Universum bewegen, dieses aber individuell wahrnehmen und erkennen.
Die Reste der menschlichen Spezies zerfallen in Inseln unterschiedlicher Kulturen und Sprachen. Sie werden nebeneinander existieren, miteinander in Verbindung stehen, aber kaum eine Einheit bilden.
Dieser Zug ist unwiederbringlich abgefahren.
Fuck. Interessant, welch abartige Gedanken man in einer Schneehöhle während eines Blizzards entwickeln kann. Bemerkenswert und unheimlich. Eine Gehirnexplosion. Ohne Berücksichtigung ihrer eigenen, speziellen Befindlichkeit.
Wie viel Sex, Menschenfresserei, Gewalt und Fäkalien kann die durchschnittliche Person überleben? Nicht im Ansatz das Ausmaß, mit dem sie sich konfrontiert sieht. Verbirgt sich hinter ihrer auf Menschen unwiderstehlichen, mit Tätowierungen und Piercings geschmückten Erscheinung, die situationsabhängig ihre Augenfarbe wechselt, ein Wesen, dessen Äußeres etwas vorgibt, was im Inneren längst nicht mehr existiert?
Ist dieser Umstand angesichts des Zustands der restlichen Menschheit, der mörderischen Vielfalt und der damit einhergehenden schrumpfenden Kopfzahl der menschlichen Population, nicht vollkommen, absolut scheißegal?
Sie ist am Leben.
Das ist letztendlich alles, was zählt.
Oder?
Unterm Strich bleiben zwei Optionen. Eine davon klassifiziert sie als Wahnsinnige vom Dienst, die pure dissoziale Persönlichkeitsstörung. Das ist weniger schlimm, als es sich anhört, gehört dieser Tage zum guten Ton. Zumindest tragen die mit der Bezeichnung in Verbindung stehenden Charakteristika zur Erhaltung des eigenen Lebens bei. Wahnsinn als konstruktiver Beitrag zur Existenz.
Ebenso denkbar erscheint ihr, dass sie schlicht eine verrückte Kampffotze mit psychopathischer Persönlichkeitsstörung ist, gleich, welche sozialen Normen man anwendet. Heillos irre, um es kurz zu sagen.
Beide ineinander verwobenen Möglichkeiten erscheinen akzeptabel, dazu angetan, in einer wahnsinnigen Welt das Überleben zu sichern.
Bitch, du bist einfach eine durchgeknallte Bitch. Das ist alles.
Sie ist eine namenlose Irre, die durch das Chaos der untergehenden Welt streift. Und sie fühlt sich wohl in ihrer Haut.
A Girl has no Name.
Sie ist She.
Es ist eine Bezeichnung, kein Name. Braucht sie nicht, wird überschätzt. Niemanden interessiert, wie du heißt.
She.
Das reicht völlig aus, sie zu definieren. Die Welt ist eine Klapsmühle. Sie ist tagtäglich damit beschäftigt, einen langen Flur entlang zu stromern und dabei in die offenstehenden Zimmer zu schauen. Wer wohnt da, ist wie verrückt, will ihr an die Kehle oder nicht? Hier ein Gottchirurg, da ein Doc Treibstoff. Das Chaos tobt, der Wahnsinn droht.
Leben, reduziert auf das Maximum.
Die eigene Ignoranz hat sie in die Kühlkammer laufen lassen. Blöderweise ist die Tür verzogen und klemmt, so bleibt nur, den eiskalten Raum zu durchqueren, um den Ausgang auf der anderen Seite zu nehmen.
In-A-Gadda-Da-Vida – das Leben ist der Garten Eden.
***
Sie zieht den verbeulten Topf von den Flammen, der schon bessere Zeiten gesehen hat, obwohl er sich kaum daran zu erinnern vermag. Die Zutaten sind zu einer dicken Pampe verkocht. Ein bisschen die Substanz von Potpourri. Dafür, dass einzelne Bestandteile schon lange in ihrem Gepäck mitgereist sind, riecht es lecker.
Zufrieden hockt sie sich in eine bequeme Position, um den Löffel in das verdächtig psychodelisch aussehende Zeug zu tunken. Das Zeug sieht aus, als wären zu viele Pilze darin gelandet, nein, eher wie verflüssigte Haschkekse. Weiß der Teufel, wie das einfahren wird.
To boldly eat, what No one has eaten before.
Sie blinzelt in den Topf, verzieht den linken Mundwinkel zu einem zynischen Lächeln und stopft eine Ladung des brennend heißen Breis in den Mund. Es schmeckt … nun … ja, akzeptabel. Gar nicht so bunt, wie es aussieht. Fast solide, ein wenig langweilig sogar. Dafür breitet sich angenehme Wärme im Körper aus.
Sie wackelt mit den Zehen. Die Stiefel leisten ausgezeichnete Dienste, waren nicht teuer und die Qualität ist erstklassig. Die Karawane, die sie angehalten hat, war tatsächlich mit brauchbarer Ware beladen gewesen.
Die Händler hingegen gehörten offenbar zur Ausschussware.
***
»Oh, die Stiefel? Wirklich? Das ist bloß Tauschware aus einer Siedlung auf der anderen Seite der Berge. Keine besondere Sache, um die Wahrheit zu sagen, aber als Lockangebote taugt das Zeug der Hinterwäldler allemal.«
»Hm. Was habt ihr sonst noch von dort?« Sie schlüpfte aus ihrem Schuhwerk, stieg in den Stiefel, der ihr ausnehmend gut gefiel. Passte wie angegossen.
»Dir gefällt das Zeug?«
»Nette Muster.« Das war eine Untertreibung, das Tribal war sogar bemerkenswert.
»Ja, dass du das so findest, ist wohl wenig überraschend.« Der Händler musterte sie von Kopf bis Fuß. »Sag mal, bist du vielleicht an einem Handel interessiert?«
»Kommt drauf an. Lass hören.« Sie hatte eine Ahnung, was jetzt kam. Ihr waren seine musternden Blicke durchaus aufgefallen.
»Ein paar meiner Leute sind … nun ja, hatten schon lange keine Frau mehr. Wenn du das Zeug für lau haben willst …«
Sie war ein paar Schritte zurückgetreten, um die Karawane entlangzublicken. Unterschiedlichste Gefährte in exotischen Zuständen, ebensolche Händler. Alles in allem wenig verlockend. Sie kannte zwar keine Berührungsängste, was Sex mit seltsamen Kreaturen anging und davon gab es in der Karawane einige, aber hier mangelte es am gewissen Etwas.
»Mit wie vielen davon?«
»Dreizehn.«
»Oh.« Sie schüttelte den Kopf. »Schlechte Zahl. Danke. Kein Interesse.« Die Zahl war ihr vollkommen egal.
»Oh, tatsächlich?« Er hatte sie nochmal beäugt. »Selbst ein so buntes Ding wie du erzielt am Sklavenmarkt von Karasch einen guten Preis. Bist du sicher …«
»Zähl bis zehn und ich habe alle Händler getötet. Zähl bis zwanzig, dann ist dazu noch dein Begleitschutz erledigt. Diese Witzfiguren sind keine Herausforderung für mich. Ich bin schneller und stärker. Ich trage fünf Waffen am Körper, du siehst eine davon. Du gehst als Erster zu Boden, wirst ausbluten, weil ich dich kastriert habe. Aber lange genug am Leben bleiben, um alle anderen vor dir sterben zu sehen. Dann lasse ich euch hier verrotten. Das ist ein Versprechen. Wie klingt das als Angebot?«
Sie sah ihm an der Nasenspitze an, dass er sie als Aufschneiderin sah. Als sie ihm schlagartig die Faust mit dem Schlagring vors Gesicht hielt, zuckte er zusammen.
»Willst du es tatsächlich wissen?«, fragte sie, während die andere Hand das Gewehr Richtung der Männer hielt, die sich der Szene nähern wollten.
»Ich zähle bis drei, dann sind entweder alle tot oder du rufst die Idioten auf der Stelle zurück.« Der Mangel an Aufgeregtheit in Stimme und Blick überzeugte ihn schließlich, seinen Vorschlag fallen zu lassen.
»Scheiße, wohin gehst du überhaupt?«
»In die Berge«, erwiderte sie, während sie aufmerksam sah, was es sonst noch Interessantes für sie gab.
»Absurd. Kein Schwanz marschiert dort hinein«, hatte der Dicke großspurig getönt.
»Und was ist mit einer Möse?«
»Gute Frage. Kann ich dir nicht sagen.« Er hatte ein blödes Grinsen aufgesetzt. »Mit der Kälte kommen sie jedenfalls besser zurecht.«
»Warum?«
»Das fragst du? Schau dir die Gipfel an. Selbst deine komischen Augen können unmöglich übersehen, was die bedeuten. Hochragender Selbstmord. Du wirst ein echt beschissenes Ende nehmen, da kannst du sicher sein.«
»Möglich, aber nicht wahrscheinlich.«
Er grinste schief. »Was immer du sagst. Ich denke, es ist schade um jeden Menschen, der so blöd ums Leben kommt, findest du nicht? Schau dich um, sind nur mehr wenige von uns geblieben.«
»Wer sagt denn, dass ich ein Mensch bin?«, forderte sie ihn heraus. Er zuckte mit den Schultern und nickte.
»Gutes Argument. Egal, ist dein Begräbnis. Such dir deinen Kram aus.«
Sie hatte einige gute Sachen zu einem geringen Preis bekommen.
An den Stiefeln jedenfalls hatte sie einen Narren gefressen.
Der Eintopf ist warm.
***
Vor ihrer winzigen Höhle tobt der Sturm. Gestern noch ist sie an den Ruinen einer Siedlung vorbeigekommen, die aussahen, als wäre der Ort bei einem Überfall zerstört worden. Vor rund zweitausend Jahren.
Sicher, Eis kann konservieren, aber bei diesen Wettern hält keine Eisschicht so lang. Es wird abgetragen, wächst nach, um von den Winden wieder geschliffen zu werden. Taugliche Konservierung ist das nicht. Wie das angeht, ist eine interessante, zugleich völlig bedeutungslose Problemstellung.
Sie seufzt, ist genervt. Ihre Gedanken sind laut. Sie tönen im Sturm, berauben sie der Stille ihres Verstandes, ihrer Entspannung. Die Minihöhle ist heimelig, sie könnte die tobenden Elemente in Ruhe aussitzen. Es gibt nichts zu tun, außer entspannt zu sein.
Stress beschert dir einen Pfahl im Arsch, das ist alles.
Der Sturm heult auf und ab und immer wieder vermeint sie, das irre Lachen des Wetters zu hören. Es klingt ein wenig wie Kristina. Angewidert schüttelt She den Kopf. Ernsthaft? Bewegen wir uns jetzt in diese Richtung? Wird das eine Aufarbeitung der Geschehnisse der letzten Jahre, oder löst sich ihr Verstand im Schneegestöber auf, um von den Winden davongetragen zu werden?
Weshalb denkt sie ausgerechnet jetzt an Kristina? Zugegeben, ihre Begegnung war kurz und brutal, ohne befriedigenden Ausgang. Ihnen beiden ist klar, dass sie einander irgendwann wieder über den Weg laufen werden.
Aber im Moment hat sie gar keine Lust, an die Wahnsinnige zu denken und …
Da bewegt sich was.
Draußen.
Sie blinzelt, sicher, eine schemenhafte Bewegung wahrgenommen zu haben, die nicht dem Sturm und damit einhergehenden Manifestationen von Licht und Schatten entspringt.
Eine Halluzination, durch die Gedanken an Kristina hervorgerufen?
Scheiße.
Ja? Nein?
Verharrt sie in Passivität und wartet ab, oder ergreift sie die Initiative?
Jein.
Fuck.
Dieser verdammte Sturm soll jetzt den Namen Kristina tragen. Sie nimmt das Sturmgewehr auf und richtet die Mündung auf den Eingang ihres Verstecks. Ein Zufall erscheint ihr unwahrscheinlich. Eher ist sie bereit zu akzeptieren, dass sie einer Sinnestäuschung unterlegen ist.
Das klingt vernünftig. Hölle nochmal, an dem Ort und unter den Umständen zwei Menschen an einem Fleck zu finden ist so wahrscheinlich wie … nichts sonst.
Oder? Die Bewegung war doch real, nicht?
Sicherheit zu haben wäre gut.
Sie wartet wenige Minuten, lässt dann genervt die Waffe sinken.
Passivität ist echt nicht ihre Sache.
Fuck.
Scheiße.
Kapitel 202: [Todessturm]
She geht hinaus in die Kälte. Der Sturm reißt sie fast von den Füßen. Sie ist gut ausgerüstet, aber trotzdem nicht scharf darauf herauszufinden, wie lange ihr Schutz der Tobsucht des Wetters standhalten kann.
Einzig die Handschuhe sind notwendigerweise ein Kompromiss. Damit kann sie Waffen halten und bedienen. Die dünne Lederhülle um die Finger verhindert zwar Erfrierungen, aber richtiger Kälteschutz ist das nicht.
Sich in dem Wetter zu bewegen ist ein einziger Albtraum. Einmal an die intime, kuschelige Wärme gewöhnt, ist der mit Millionen Eisnadeln zustechende Sturm ein scheußlicher Eindruck. Vornübergebeugt stapft sie vorwärts, stemmt sich gegen den Wind und durch den kniehohen Schnee. Sie verflucht sich dafür, nicht im Versteck geblieben zu sein. Sie hasst es.
Sie muss jedoch wissen, ob da, von ihren Gehirngespinsten abgesehen, etwas ist. Darauf warten, dass des Rätsels Lösung vor ihr in den Schnee fällt, ist nicht ihr Ding. Sie muss initiativ sein, ob sie nun will oder nicht. Neugierde mag der Katzen Tod sein, andererseits hängt das eigene Leben davon ab, über seltsame Dinge Bescheid zu wissen. Und da zahlt sich Aktivität aus.
Im letzten Moment verkneift sie es sich, verächtlich auszuspucken. Wäre doch geradezu idiotisch, wenn die gefrorene Spucke sie ins Auge trifft. Solch eine Scheiße ist verzichtbar.
Aktiv sein heißt, einen Vorsprung zu bewahren.
Setze deine Gedanken in Taten um.
Lass dich nicht beirren auf deinem Weg zum Erfolg.
Du kannst mehr, als du glaubst. Mach dich an die Arbeit.
Fuck. Sie klingt wie ihr eigenes Motivationspamphlet. Manisch hyperaktive Selbstvermarktung und gerissene Geschäftemacherei. So wie dieser Dwayne Rock, dessen Leiche sie vor einer Ewigkeit in einem Keller gefunden hat, umgeben von den zerfallenden und verschimmelnden Bergen kleiner Heftchen mit ebensolchen Titeln. War wohl ein Prophet oder Scharlatan seiner Zeit gewesen.
Darauf geschissen.
Arschbacken zusammenkneifen und ab durch das Scheißwetter. Der Ausflug ist strapaziös, aber unter Umständen hängen Leben und Tod von den verfügbaren Informationen ab.
Sie verflucht den Sturm, das Gebirge, ihre Sturheit, die ganze Welt. Verdammt, sie vermisst Stella. Schon wieder. Heute hat es die Vergangenheit echt drauf, sie heimzusuchen. Kein Grund, diesen Erinnerungspfad zu gehen. Wäre das Wetter besser, hätte sie jetzt glatt hinauf zu den Wolken geschaut.
Dorthin, wo Stella verschwunden ist.
Sie schüttelt die Gedanken ab, rasch und erbarmungslos. Das ist echt der falsche Moment. Das bringt ihr die entschwundene Geliebte nicht wieder zurück.
Apropos fokussieren.
Sie presst sich gegen einen Felsen, hält den Atem an und erstarrt zur Reglosigkeit. Einzig ihre Augen blinzeln durch einen winzigen Spalt in der Kapuze. Ihr Instinkt kreischt vor Zorn. Er will mit aller Macht die Initiative ergreifen, das Sturmgewehr anlegen, anvisieren, Faktoren wie Sturm, Schnee, Distanz, Bewegungsmoment mit einberechnen, um dann den Abzug … sie die Waffe gar nicht mit.
Sinnlos bei dem Wetter.
Sie blinzelt. Vermeint, eine schemenhafte Bewegung zu erkennen. Sie stellt sich vor, mit dem Messer auf die Erscheinung loszugehen. Vermutlich friert das spritzende Blut augenblicklich zu wilden, roten Strukturen, die vom Sturm erst geformt, dann zerrissen und schlussendlich davongetragen werden.
Eine Armspanne Distanz.
Im Schneegestöber plagt sich eine Gestalt an ihr vorbei, nichts von der Gefahr ahnend, die in Greifweite lauert. Wie auch, selbst sie mit ihrer überlegenen Sehfähigkeit blickt kaum durch die wüsten Schneewirbel.
Etwas Bemerkenswertes fällt ihr dennoch auf, der Grund, weshalb sie die Gestalt überhaupt wahrgenommen hat. Sie trägt einen schwarzen Kampfanzug und das ist vollkommen idiotisch. Warum tut das jemand und noch viel beunruhigender, wie kommt es, dass sie an einem solchen Ort einem anderen Menschen begegnet? Das ist eigentlich ausgeschlossen.
Die Sache stinkt gewaltig.
Sie setzt sich bedächtig in Bewegung, folgt der Erscheinung, bleibt stehen. Oh nein. Sie wird besser den Rückzug antreten. Im Versteck ausharren, bis sich das Wetter einigermaßen beruhigt hat. Dann wird sie schleunigst verschwinden. Sie hat absolut keine Lust auf irgendwelche Begegnungen. Dass es ausgerechnet in den Bergen so überbevölkert ist, kann man wohl als absurd bezeichnen.
Sie hätte doch herumgehen sollen.
She blinzelt der Gestalt nach, bis sie sicher ist, nur mehr wirbelnden Schnee zu erkennen, wendet sich ab. Und sieht sich unvermittelt einer ganzen Gruppe von Personen gegenüber.
Teufel nochmal.
Die hier tragen weiße Tarnanzüge und wirken wie Schneegeister. Sie flucht lautlos. Clever. Ihr Hirn scheint eingefroren, sie ist auf ein idiotisch simples Ablenkungsmanöver reingefallen.
Fuck. Das hat sie sich selbst eingebrockt. Es ist das erste Mal, dass ihre Suche nach Einsamkeit in diesem Maßstab nach hinten losgegangen ist. Faszinierend.
Zum Teufel damit. Aber die Situation hat ihr Gutes. Sie wird erregt, spürt das lustvolle Prickeln, das von den Schulterblättern abwärts ihren Rücken zum Steiß rinnt. Ein Lustschauer kitzelt sie zwischen den Beinen. Eine Herausforderung!
Eine Gruppe Kämpfer, deren Körperhaltung von vielen Dingen, definitiv nicht von friedlichen Absichten kündet. Oh wie schön, eine komplexe Situation unter extrem herausfordernden Bedingungen.
Ihr wird klar, wie sehr sie es vermisst hat, zu kämpfen. Das ist genau, was sie gebraucht hat. She muss sich eingestehen, dass sie ein echtes Ungeheuer ist. Schrecklich? Nicht unbedingt.
Ihr wird heiß im Schritt.
What is best in Life?
Ihre Augenfarbe wechselt.
Attack Ship on Fire.
Ausfallschritt.
Der linke Arm stößt vorwärts. Blitzschnell ist der erste Mann niedergerissen. Sie benutzt den Sturz für das eigene Bewegungsmoment. Beiläufig zertrümmert sie dabei mit einem Ellbogenschlag den Kehlkopf des Gefallenen.
Sie stoppt die schwungvolle Vorwärtsbewegung einige Schritte vor den nächsten Gegnern. Ein tadelloses gleichseitiges Dreieck.
Die auf sie gerichteten Läufe der Sturmgewehre spucken Salven aus. Aber die Angreifer haben die lenkende Kraft des Sturms vergessen. Gerade Flugbahnen krümmen sich zu Parabeln.
Die Männer treffen sich gegenseitig. Ganz, wie sie es berechnet hat. Spritzendes Rot gefriert auf der Stelle und verschwindet im Schneesturm. Pure Blut-Poesie unwiederbringlicher Bilder reinster Schönheit. Die Körper der Toten fallen noch in die Umarmung des Schnees, da ist sie vorwärts gehechtet.
Die schützend vorgehaltenen Arme rammen gegen Schienbeine. Der Getroffene stürzt, während sie ein Bein zur Seite reißt und zutritt. Eine Kniescheibe geht kaputt, der nächste Körper fällt.
Schwungvoll kommt sie auf ein Knie hoch, in jeder Hand ein Messer. Harte Schläge rammen die Klingen in die Rippen, zweimal links, zugleich rechts. Die Gefallenen bäumen sich auf, sie wiederholt ihre Attacke.
Tschak. Tschak.
Die Wucht, mit der die Schläge auf Fleisch treffen und es aufschlitzen, ist sogar über dem Heulen des Sturms vernehmbar. Ein drittes Mal gehen die Doppelschläge auf die Körper nieder, dann dreht sie die Klingen in den Opfern.
Rippen werden aufgebrochen, aus dem zerfetzten Fleisch sprudelt dick roter Lebenssaft hervor, gefriert augenblicklich.
Das Eis arbeitet sich über das ins Freie pumpende Blut ins Körperinnere vor. Die Angreifer erfrieren von innen heraus, als Herz und Lungen von Eis überzogen werden.
To crush your enemies, to see them driven before you.
Sie schnellt aufwärts, stößt sich mit aller Kraft ab. Der Wind packt sie mit seiner groben Hand, schiebt sie vorwärts. Sie rudert mit Armen und Beinen, ehe sie ihren Körper in die Senkrechte bekommt, um sich von der Schwerkraft wieder abwärts ziehen zu lassen. Sie geht in einen kontrollierten Sturzflug, die Arme zur Seite gestreckt, ein Bein angezogen, das andere ausgestreckt und trittbereit.
Hexengleich stürzt sie auf eine blind ins weiße Toben schreiende Gestalt nieder. Der Schädel des Gegners prallt gegen ihr Schambein, wird von der Wucht des Aufpralls zu Boden gerissen. Als sie aufschlagen, hat sie den Kopf zwischen ihre Oberschenkel geklemmt, spannt diese an, stößt das Becken vor.
Der Peitschenknall, mit dem das Genick bricht, ist sogar über dem kriegerischen Geheul des Windes zu vernehmen. Dass sie ihm im selben Moment ein Messer in die Schläfe gerammt und herumgedreht hat, ist überflüssig. Aber der Kopf platzt spektakulär auf und der in sekundenschnelle gefrierende Glibber des Gehirns spritzt in den Schnee, wird vom höllischen Wind weggewirbelt.
Leckerli für den Yeti.
Vor ihr taucht eine weitere Person auf. Mit aller Kraft gegen den Sturm gestemmt, den Lauf des Sturmgewehrs auf sie gerichtet, stapft sie vorwärts. Sie kann sehen, wie der Abzug durchgedrückt wird, wie die Munition die Mündung der Waffe verlässt. Doch die Distanz ist einige Schritte zu groß. Kurz bevor die Projektile sie treffen, bekommt der Wind die Geschosse in die Gewalt, nimmt sie mit sich.
Der Schütze hat sich selbst erschossen und damit ist die Sache erledigt.
Die unmittelbare Umgebung, vor Momenten noch von tiefroten Spritzern und Pfützen gesprenkelt, ist schon unter der ersten Lage Schnee verschwunden. Schichtweise entfernt der Sturm die Szene vom Antlitz der Welt. Keine Stunde wird er brauchen, um die Umrisse der Körper auf ewig unsichtbar zu verstecken.
Achselzuckend sieht sie sich um. Sie war eine Spur zu schnell. Es wäre cleverer gewesen, einen der Kerle am Leben zu lassen. Einfach, um ein paar klärende Antworten zu bekommen. Braucht sie die wirklich? Ist nicht ohnehin klar, was sie tun sollte?
In Wahrheit bestehen keine Zweifel.
Sie dreht sich um.
Der Kolben einer Pistole schlägt ihr mit voller Wucht ins Gesicht.
In ihren Ohren explodiert der Lärm einer Twang-Gitarre. Sie fällt.
Sie hat den verdammten Lockvogel vergessen.
Dumme Fotze.
Ein markerschütterndes Brüllen ertönt.
She verliert das Bewusstsein.
…
…
… Fortsetzung folgt …
Der Beitrag [LESEPROBE]: SHE: Eiskalte Wut erschien am …… auf JohnAysa.net …
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