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ERSTER TEIL: DER TRIP
Fast da: Die Witch Bitch im Zielgebiet
Die Farbpalette an den Rändern der massiven Wolkengebilde reichte von Nachtblau bis Allschwarz, gesprenkelt mit zahllosen Schattierungen von Grau. Blitze durchzuckten die dahinrasenden, ständigen Mutationen unterworfenen Wolkengebirge, ließen ein rotierendes, mahlendes Inferno erkennen.
Der Wolken-Himalaja barg einen Hurrikan im Inneren, der mit einer Geschwindigkeit, die zwischen zehn und 12 Beaufort schwankte, in der Wolkendecke rührte und tanzende, zuckende Rüssel zum Wasser ausfuhr.
Blitze, die es in der Form unmöglich geben konnte und durfte, obwohl sie unübersehbar vorhanden waren, tanzten die Schläuche auf und ab.
Der Anblick entbehrte nicht der Faszination des Grauens, beträchtlich getrübt durch den Umstand, dass dieses Phänomen im Ozean darunter einen Malstrom verursachte. Eigentlich gab es mehrere davon, aber die unmittelbare Gefahr ging im Augenblick von nur einem Strudel aus.
Der stellte mit seiner mörderischen Sogkraft ein erhebliches Problem für die Witch Bitch dar, selbst kein Kind von Traurigkeit und alles andere als ein Schwächling. Das Schiff kämpfte wie der Teufel gegen seinen Herausforderer an.
Die Witch Bitch war eine bei Lürssen gefertigte Mega-Jacht und trotz ihrer enormen Leistung von 99.000 PS, nahezu ein Overkill an Kraft, die vier Wasserstrahltriebwerke befeuerten, außerstande, dem Sog zu entrinnen.
Das Schiff befand sich mit einer Lüa von 155 Metern unter den Top 10 seiner Kategorie. Es galt als die teuerste, stärkste und bizarrste Motorjacht in privatem Besitz und war speziell in Hinblick auf außergewöhnliche Belastungen konstruiert worden.
Sie war mit 25 Metern relativ breit bei einem erstaunlichen Tiefgang von fast 7 Metern – was der Sonderanfertigung und den zusätzlichen Tonnen zu verdanken war.
Die Witch Bitch bunkerte in ihren Tanks knapp 1,5 Millionen Liter Diesel und schaffte eine Geschwindigkeit von 30 Knoten. Ein vor Testosteron triefendes Kraftpaket mit gewaltiger Muskelmasse.
Dank Sonderanfertigung und Extrawünschen des Eigners hatte das Rekordschiff, das von bescheidenen 55 Mann Besatzung betreut wurde, schlappe 660 Mille gekostet – böse Zungen behaupteten, es wären 666 Millionen Euro gewesen. Damit saß die Witch Bitch noch unangefochten auf dem bereits wackelnden Thron als Nummer eins.
Superlativen von Bug bis Heck und trotzdem: Das Schiff wurde unerbittlich in den Strudel gezerrt, da mochte es sich mit dem Geschick des Captains, aller Kraft und den technischen Finessen wehren, wie es wollte. Der Kampf schien aussichtslos zu sein. Gegen überwältigende Naturgewalten wie den Malstrom stand der Mensch auf verlorenem Posten.
Die Luken waren dicht, die Fenster und Bullaugen der sieben Decks mit stählernen Blenden und Panzerungen wasserdicht verschlossen, die gesamte Einrichtung fixiert. Theoretisch war die Witch Bitch in der Lage, komplett um die Längsachse zu rollen und die Reise – dank der Wasserstrahltriebwerke – unbeschadet fortzusetzen.
Der 45-Grad-Rollwinkel, in den sich das schnittige Fahrzeug gelegt hatte, während es durch die unvorstellbare Kraft des Wasserstrudels auf 30 Knoten beschleunigte, ließ die Witch Bitch vollkommen kalt.
Selbst plumpe Saurier wie Containerfrachter vertrugen diese Krängung, wenngleich nicht im Zusammenspiel mit den anderen mehr oder weniger natürlichen Gewalten, die an der Struktur des Schiffes zerrten und zogen.
Die Jacht slammte mit knochenerschütterndem Aufsetzen durch Wellenberge, tauchte Bug voran abwärts, schüttelte sich wie eine nasse Töle und donnerte mit einem markerschütternden Aufprall gegen ein unsichtbares Hindernis.
Der Rumpf dröhnte wie eine Glocke. Der Ruck, der die Struktur des Luxusschiffs zum Kreischen brachte, riss die Besatzung von den Füßen, ließ zahlreiche Seelen an Bord ihren verzweifelten Halt verlieren und über die Decks schlittern.
Knochen knackten, Schädel krachten, Haut platzte auf, Blut spritzte. Schmerzerfüllte Schreie gingen im tobenden Chaos unter.
Auf der Brücke heulten Sirenen, ein Overkill an roten Warnlampen schrie um Hilfe. Einzig die für eindringendes Wasser zuständigen Instrumente blieben entspannt.
Tiefreichende Forschung in Sachen Verbundstoffen, Legierungen und Belastungsmuster verschiedenster Kombinationen aus Strukturen und Materialien machten sich in dem Moment bezahlt.
Der Zusammenstoß brachte die Bitch zum Gieren. Das Schiff befand sich auf halber Strecke um den Malstrom, war tief im Inneren der unsichtbaren Zone gelandet und gierte weiter.
Derweil war die Brückenbesatzung damit beschäftigt, auf den Beinen zu bleiben und die Anzeigen zu lesen, die in Gruppen vom aufgeregten Rot zum entspannten Grün zurückkehrten. Die Kollision hatte weder Rumpf noch Maschinerie in Mitleidenschaft gezogen.
»Kurs vier-fünf, Maschinen volle Kraft voraus«, übertönte der Captain den Radau der Naturgewalten. Er stand unmittelbar vor den Panoramascheiben der Brücke, die einzigen nicht verbarrikadierten Fenster.
Er hielt sich fest, während er die Wellen zu lesen versuchte, in dieser Extremsituation lieber auf eigene Erfahrungen als auf die nackten Daten zurückgreifend, die einen schwerwiegenden Nachteil hatten: Sie spürten weder das Schiff noch die aufgewühlten Wasser durch den Rumpf. Sie sahen keine Farben.
Er hingegen wusste die Bewegungen und Erschütterungen mit dem abzustimmen, was die Augen ihn sehen ließen. Sicher und schnell.
»Kurs vier-fünf, Maschinen volle Kraft voraus«, wiederholte der Rudergänger, setzte über Joystick und Touchscreen die Befehle um und bestätigte mit einem knappen »Liegt an«.
Der LI – der Leitende Technische Offizier – beobachtete im Maschinenraum die Leistungsdaten und nickte zufrieden. Die Maschinen verursachten unter Volllast kaum mehr Lärm als bei Standardfahrt.
Trotz der Veitstänze der Witch Bitch spürte er, wie die Triebwerke das Schiff mit sturer Beharrlichkeit auf den gewünschten Kurs zwangen. In dem Moment war er stolz, vor Jahren dem Drängen des Captains nachgegeben zu haben und sich anheuern zu lassen.
Eigentlich hatte er es nur der langjährigen, gemeinsamen Vergangenheit wegen getan – und weil er neugierig gewesen war. Wie konnte er eine Heuer auf einem der außergewöhnlichsten Gefährte aller Seereisen ablehnen? Er vertraute dem Captain vollkommen und hatte deshalb zugesagt.
Wie anders die Bitch war, wurde ihm erst bei dieser Bewährungsprobe klar. Kein Seelenverkäufer, über dessen Decks er je mit breitbeinigem Seemannsgang gestapft war, hätte auch nur ansatzweise mithalten können. Das, was er beim allerersten Rundgang, dem Beschnuppern, als verzärteltes, überkandideltes Spielzeug eingeschätzt hatte, entpuppte sich als clever durchdachtes, zuverlässiges Kraftwerk.
Der LI, durchgebeutelt, mit Beulen und blauen Flecken, klammerte sich an den Konsolen fest und bewunderte die geradezu pervers robuste Maschine. Schweißflecken verunzierten seine Uniform, und er schnupperte Aromen der Angst und Anstrengung.
Das Schiff stampfte, rollte, gierte – leistete dem Kommando Folge, bewegte Stahl und Fleisch aus dem hungrig zerrenden Malstrom, ungewollt unterstützt durch den Orkan und ermöglicht dank der knochenbrecherischen Kollision.
Eine nautische Meile später hatte sich die Witch Bitch dem Klammergriff des Strudels endgültig entzogen, durchkreuzte in Relation zum Chaos, dem sie gerade entronnen war, beinahe ruhig zu nennende Gewässer. Der Ozean präsentierte sich unheilschwanger, blitzende Schaumkronen auf schwarzen Wellen, der Himmel ebenso bedrohlich und das Radar des Schiffes enthüllte eine scheußliche Unannehmlichkeit.
»Wir sind von Strudeln umgeben.« Allein in Reichweite ließen sich neun der Killer entdecken. Für die Rüssel, die abwärts stießen und die Wasserstrudel in Bewegung setzten, brauchte es keine Instrumente. Man musste nur dem trauen, was die Augen an Informationen übermittelten.
Die Bitch schlenkerte auf einem alkoholisiert anmutenden Kurs zwischen den Malströmen tiefer in die Finsternis des von außen undurchdringlichen Wolkenwalls. Sie war auf der Suche nach dem, was vielleicht im Zentrum zu finden war. Allerdings musste sie dieses erst einmal ausfindig machen.
»Freakwelle von Backbord!«, rief der 1. NO.
Der Captain unterbrach die Diskussion mit dem 2. NO und sah hinaus.
»Mein Gott!«, entfuhr es ihm.
Er spürte, wie das Schiff hart Richtung Welle drehte, der 1. NO hatte schnell und richtig reagiert. Trotzdem sah er augenblicklich, dass die Bitch keine Chance hatte.
Vor ihnen türmte sich eine Wasserwand auf, die das gesamte Sichtfeld querte und irgendwo zwischen Himmel und Wasser mit dem herrschenden Chaos verschmolz. Er schätzte die Höhe auf 25 bis 30 Meter. Es sah aus, als sei sie inmitten der Bewegung erstarrt, eine optische Täuschung, hervorgerufen durch die schiere Größe der heranrasenden Katastrophe.
Unter seinen Füßen ging das Deck in Schräglage, als sich das Schiff in die Kurve legte. Ziel des verzweifelten Manövers war es nicht einmal, die Monsterwelle frontal anzugehen, sondern schräg hineinzuschneiden wie ein Messer durch Butter, um den Weg des geringsten Widerstands zu gehen.
Frontalangriffe stellten eine Gefahr für das Rückgrat der Wasserfahrzeuge dar, konnten es brechen. Und diese Ausgeburt der Hölle von einer Welle hatte das Potenzial, selbst einer hochgerüsteten Mega-Jacht wie der Witch Bitch den Todesstoß zu versetzen.
Die Schwierigkeit des Schrägschnitts lag im rechtzeitigen Finden des richtigen Winkels verborgen. Die Luxusjacht zählte zu den schnellsten Schiffen, trotzdem war sie chancenlos.
Es blieb gerade noch Zeit, die Stahlblenden vor dem Glas zuzufahren.
Die Bitch stürzte wie eine Achterbahn übelkeitserregend in das Wellental und schwang aufwärts, kletterte von ihren Strahlen getrieben die Wasserwand hinauf. Die Crew auf der Brücke wurde herumgewirbelt, Hände verloren den Halt. Die Maschinen gaben alles, mehr, als jedes andere Schiff gekonnt hätte.
Trotzdem – die 99.000 PS reichten nicht.
Für einen atemberaubenden Science-Fiction-Moment stand das Fahrzeug senkrecht wie ein hochschnellender Delfin. Dann kippte es, drehte sich um die Längsachse und donnerte kieloben auf das Wasser zurück.
Leute wirbelten wie Blätter durch den Raum, schlugen mit dumpf-schweren oder hellen Knackgeräuschen auf Hindernissen auf, die massiver als sie waren.
Schreie ertönten, Knochen brachen, Blut spritzte.
Dinge splitterten, krachten, barsten.
Metall kreischte, verformte sich gewaltsam.
Der Rumpf dröhnte wie die größte freischwingende Glocke der Welt, die Petersglocke im Kölner Dom.
Außen liegende Kommunikationsanlagen, Messgeräte, Satellitenschüsseln und Antennen zerknitterten augenblicklich wie Alufolie. Das Schiff blieb für Sekunden kieloben, ging mit der Welle, wurde überrollt.
Das wütende, schwarzgrüne Meer rotierte über den Rumpf, drückte ihn mit Leichtigkeit in sonst nur U-Booten vorbehaltene Tiefen, rollte die Bitch wie ein Maik-Sushi bei der Herstellung.
Die Gewalt der Bewegung zerrte an der Mega-Jacht, der Druck von Millionen Tonnen quetschte die Konstruktion wie eine Stahlpresse. Metall kreischte, Schweißnähte und Fugen ächzten, aber dem gleichmäßig verteilten Angriff widerstand das von Kiel bis Oberdeck durchdachte, verstrebte, verstärkte und gepanzerte Schiff relativ problemlos. Eine punktuelle Einwirkung dieser Art wäre katastrophal gewesen.
Etwas Wasser drang ein, das stellte für die Pumpen kein Problem dar und war unvermeidlich.
Vom Sog der weiterrollenden Welle wurde die Witch Bitch zurück an die Oberfläche gezogen.
Sie tauchte schnittig wie die Rückenflosse eines Hais auf, bebte, ploppte wie ein Korken aufwärts, stampfte, gierte, schwoite, rollte, kam zur Ruhe.
Dümpelte. Eine Minute lang.
Wer von der Brückencrew noch fähig dazu war, rappelte sich auf die Beine und besetzte seine Station.
Der schwer angeschlagene Captain – Blut tropfte unter dem Haaransatz über die Stirn herab, im Mund schmeckte er eine metallische Nässe – taumelte zur Navigationskonsole und sah auf das Radar.
»Grundgütiger!«, stieß er hervor. Ohne es zu bemerken, murmelte er ein lautloses Gebet an Erasmus von Antiochia und bekreuzigte sich.
Die zweite Freakwelle hatte Größenwahn und legte zehn Meter auf die Höhe ihrer Vorgängerin drauf.
Ausblick in die Zukunft 1
Die Schreie verstummten rasch, noch bevor sie mit ihm fertig waren. Er war unendlich erleichtert, nicht mehr das eigene Geschrei ertragen zu müssen.
Kent Cleric starrte mit weit aufgerissenen Augen Richtung Himmel, blinzelte durch die Tränen in die blendende Helligkeit, die zum Rand seines Sichtfelds hin nachließ. Die schock- und verletzungsbedingte Verdunkelung des Blicks.
Die Schmerzen waren auf das Niveau äußerster Unbehaglichkeit gesunken. Im Vergleich zu dem, was er davor ertragen musste, eine unvorstellbare Erleichterung, die ihm falsche Eindrücke der körperlichen Befindlichkeit vermittelte. Nicht, dass er viel davon mitbekam.
Immerhin hatte er jetzt Ruhe und konnte sich damit befassen, allein gelassen zu sterben. Der Weg bis dorthin war ein kurzer. Er fühlte, wie Dinge im Inneren seines gequälten Fleisches verrutschten.
Aus ihrer Position gerissen von dem Pfahl, den man ihm in den Arsch gerammt, quer durch den Körper gestoßen hatte, bis er, geziert von verschmierter Scheiße, aus dem Mund gedrungen war.
Durch sein verfluchtes Pech waren lebenswichtige Organe verschont geblieben, und so hing er da, den Kopf steil in den Nacken gezwungen. Die Kraft schwand nach und nach aus den Beinen.
Sobald er sie endgültig verlöre, das wusste er, würden ihm Momente höllischer Qualen bevorstehen, wenn er am Pfahl abwärts auf die Knie rutschte. Er konnte nur hoffen, zu dem Zeitpunkt schon am Ende des Sterbewegs anzulangen, betäubt und gefühllos.
Kent Cleric hatte keine Idee, welches Verbrechens er beschuldigt wurde, um gepfählt zu werden. Es entzog sich seinem Begreifen, wie die Sache so außer Kontrolle geraten konnte.
Ein Teil der Folterer war damit beschäftigt gewesen, den am oberen Ende abgerundeten Baumstamm im Sand zu versenken. Die verdammte Mühe des Abrundens nahmen sie auf sich, um ihm den Gnadentod durch einen spitzen Pfahl zu verwehren. Purer Sadismus kranker Hirne.
Leider konnte er nicht mehr seufzen, obwohl ihm das ein tief empfundenes Bedürfnis war, das in seiner gemarterten Brust aufgestaut auf Erleichterung wartete.
Derweil hatten die anderen ihm vergnügt johlend die Kleider vom Leib gezupft. Er war mehrmals vergewaltigt worden. Gesicht voran in den Sandstrand gepresst, Arme und Beine mit brutaler Gewalt auseinandergehalten, und dann war der erste Schwanz über ihn gekommen, gefolgt von zahlreichen weiteren. Dazwischen Fäuste, die ihn zum Schreien gebracht hatten, als sie den Anus einrissen.
Was hatte er gebrüllt, als man ihn auf den Rücken drehte und er die Faust sah, die sich unter seiner Bauchdecke abzeichnete, während der bis zum Ellbogen in ihm steckende Arm den Schließmuskel gnadenlos überdehnte.
All das war hart, rücksichtslos, ohne jegliche Schmiermittel passiert. Blut war geströmt, niemanden hatte es gekümmert. Rasende, blindwütige Tiere – nein, unsägliche Kreaturen, die ihn folterten.
Schwanz auf Schwanz war in ihn gedrungen, hatte ihn trocken und gröbstens gefickt, die Feuchtigkeit von Sandkörnern verklebt, die wie Schmirgelpapier die empfindliche Rosette blutig scheuerten. Der Anus war geweitet und gerissen, die Verletzungen mit Sperma und Scheiße verschmiert.
Ganz am Anfang hatte er sich noch Sorgen wegen einer Infektion der Wunden gemacht. Da war er noch verzweifelt bereit gewesen, an sein Überleben zu glauben. Unvorstellbar, dass ihn Menschen – zivilisierte, gebildete Leute, intelligent und umgänglich – bis zum Tod quälen würden.
Jetzt wusste er es besser und fand die Naivität der Gedanken geradezu komisch.
Als er geglaubt hatte, das Schlimmste sei vorüber, war ihm mit brutaler Gewalt der Kiefer aufgezwängt worden, und dann war es zu multipler oraler Vergewaltigung gekommen.
Wie nahezu jeder heterosexuelle Mann hatte auch Kent sein ganzes Erwachsenenleben hin und wieder über Schwanzlutschen nachgedacht, etwas, das die Mehrzahl niemals zugeben würde.
Er hatte über der Frage gegrübelt, was es wohl für ein Gefühl sein mochte, einen Schwanz zu lutschen, ihn im Mund kommen zu lassen und den Saft zu schlucken. Ob es im Liegen oder im Knien bequemer und erregender sein würde? Wie die meisten Heteros hatte er nie den Mut gefunden, diesen Sexualakt auszuprobieren.
Dann hatte man es ihm aufgezwungen, ihn oral vergewaltigt.
Er hatte gewürgt und gekotzt, was ihm Schläge einbrachte. Der Gewaltakt ließ ihn nur brutale Schmerzen, ausgewachsenen Ekel, große Angst und tiefe Demütigung verspüren, mit anderen Worten: Nichts von dem Vergnügen, das er nie kennengelernt hatte.
Jegliche Gegenwehr war erfolglos geblieben. Kein Mensch hatte Erbarmen mit ihm gehabt, im Gegenteil. Zu Dutzenden hatten sie die Täter angefeuert.
Endlich wurde er auf die Beine gezerrt und konnte den Pfahl sehen. Oh Gott, jetzt binden sie mich daran fest, ich habe das Ärgste überstanden, dachte er beinahe erleichtert.
Aber weit gefehlt.
Er wurde, begleitet von Gejohle, Gelächter und Geschrei über die Köpfe der Menge gehoben, und man trug ihn im Triumphzug zum bedrohlich hochragenden Pfahlende. Erst, als sie ihm die Beine auseinanderzerrten und ihn herumbugsierten, als die massive Lanze schmerzhaft den Hodensack quetschte, ehe sie das Rektum aufdrückte, kapierte er.
Cleric brüllte los, was die Lungen hergaben. Er schrie und winselte. Etwas brutal Hartes, unheimlich Dickes bohrte sich mit Gewalt in den Arsch, überdehnte den Schließmuskel.
Ein Ruck.
Ein reißendes, knirschendes Geräusch.
Herabfließende Nässe.
Das Gefühl einer Monstrosität, die ihn bis in den Unterbauch fickte, ähnlich den Schwänzen und Fäusten davor.
Nur gigantischer.
Viel, viel größer. Und härter.
Dann der Schmerz.
Er kreischte mit überschnappender Stimme. Er spürte, wie das Gedärm beiseitegeschoben, perforiert, gequetscht wurde. Die grausigste Empfindung seines Lebens, die totale, ungeschminkte Erkenntnis des ihm blühenden Schicksals.
Er nahm auf absurde Art wahr, dass man das Holz mit Fett eingelassen hatte, damit es besser durch den Körper glitt.
Was für Fett? Woher kommt es? Vorräte? Leichen?
Blut spritzte ihm aus dem Mund, kam aus dem Arsch, rann über das Marterinstrument hinab.
Er gurgelte, als Blut, Flüssigkeiten und Dinge den Hals hochkamen und mit Wucht expediert wurden, blubbernd und platschend.
Das passiert mir nicht, nicht mir, nein, niemals, nicht mir, nein, nein, nein!
Er hatte das Gefühl, zu ersticken, als sich der Pfahl in den Brustkorb schob, alles Lebenswichtige verfehlend. Das abgerundete Ende drückte die Organe nahezu sanft beiseite, bahnte sich unaufhaltsam einen Weg aufwärts.
Der Würgreflex zwang den Kopf in den Nacken, und dann knackte, knirschte, zerriss etwas im Hals. Er glaubte, zu ersticken. Er wollte schreien – es erwies sich als unmöglich.
Ein Splitter spaltete sich ab.
Er durchbohrte nahe der Wurzel die Zunge und riss sie mit, als das Holz in den Rachen vorstieß, Zähne zersplitterte und durch den aufgezwungenen Kiefer ins Freie fuhr. In diesem Inferno von Sinneseindrücken nahm er den Geschmack der eigenen Scheiße wahr, und für einen Sekundenbruchteil genierte er sich dafür, war das der schlimmste Part der Pfählung.
Die Schmerzen gingen weit über alles hinaus, was er sich jemals ausgemalt hätte, dass ein Mensch zu empfinden in der Lage war.
Irgendwo am äußersten Rand des Bewusstseins nahm er wahr, wie die Füße auf dem Sand aufsetzten und der Vorgang des Pfählens zum Ende kam.
Das Gefühl für Zeit kam abhanden. Cleric hatte keine Vorstellung davon, wie lange er am Pflock stand, als er spürte, wie an seinem Unterleib gezerrt und gerissen wurde.
Mit der Distanz des Unglaubens, unfähig, real zu begreifen, wie ihm geschah, nahm er wahr, wie etwas oder jemand an seinem Penis zupfte und zog, damit spielte. Er wusste nicht, ob er darauf reagierte.
Pest und Hölle, was wusste er schon, ob er in diesem Zustand überhaupt einen Steifen bekommen konnte?
Das Einzige, was er mit absoluter Bestimmtheit registrierte, war, dass ihm der Schwanz irgendwann abgebissen wurde. Ein Ratschen, ein Knirschen, ein zerrendes Gefühl, die Empfindung, sich anzupinkeln – was vermutlich durch das hervorströmende Blut verursacht wurde, das ihm die Schenkel hinablief.
Die damit einhergehenden Schmerzen erschienen ihm geradezu lächerlich im Vergleich zu jenen der Pfählung. 15 Zentimeter Durchmesser in den Arsch geschoben zu bekommen, hinterließ einen bleibenden Eindruck.
Was zum Henker soll das?, fragte er sich.
Der Blutverlust schwächte ihn.
Die Beine gaben unter ihm nach.
Das tat weh, das war echter Schmerz. Er konnte nicht mal ächzen oder knurren, gar kein Geräusch fabrizieren. Der Kehlkopf war zertrümmert, die Zunge fort, er bekam kaum Luft.
Die Qualen schalteten das Bewusstsein ab und stürzten ihn in befreienden Wahnsinn.
Cleric verspürte keinerlei körperliches Unbehagen, er nahm nichts mehr bewusst wahr. Er registrierte etwas Helles vor den Augen, und im Kopf brabbelte eine Stimme unartikulierte Laute, gluckste, kicherte.
Die Finsternis an den Rändern strömte einwärts, die Dämmerung nahte. Erleichterung, wenigstens der brennenden Sonne zu entkommen.
Ausgeschaltet, ausradiert, endgültig vernichtet. Kent Cleric hatte zu existieren aufgehört, und das war eine gute Sache.
Er empfand und spürte nichts mehr, als es stockdunkel wurde und er schließlich starb.
Vorspiel: Erstes Duell
1
Charles Crow linste vorsichtig um den Türstock, die Faust um die Glock 31 geballt, mit der anderen Hand abgestützt, um den Schalldämpfer auszubalancieren.
Die Laute und das, was er sah, ergaben ein eindeutiges Bild, und trotz aller inneren Ruhe fühlte er sich irgendwie erleichtert. Die Zielperson befand sich im Bett, hatte ein weißes Leintuch übergeworfen, das Schemen eines zweiten Körpers erkennen ließ. Jemand, mit Sicherheit eine Frau, blies ihm einen. Unverkennbar, dieses Auf und Ab.
Er zielte, und als er den Abzug durchzog, huschte ein schwarzer Schatten durchs Blickfeld, lenkte ihn für den Bruchteil eines Augenblicks ab.
Katze!
Drecksvieh!
Der Schuss ging daneben.
Durch die Bettdecke explodierte in Schritthöhe eine rote Fontäne. Die Zielperson stieß einen Schrei aus, das Leintuch wirbelte hoch. Innerhalb einer Sekunde war ein Routineauftrag in ein Desaster mutiert.
Crow wich zurück, ließ den Lauf wandern, schoss auf einen Schemen und fand sich Auge in Auge einer nackten, bewaffneten Frau gegenüber. Die Mündung der Pistole – ebenfalls eine Glock, sogar dasselbe verfluchte Modell – deutete auf seine Stirn.
Kopf und Oberkörper waren blutverschmiert. Er bemerkte, dass sie steife, dunkle Nippel hatte. Sehr hübsche Brüste. Unglaublich blasse Haut. Ein muskulöser, durchtrainierter Bauch. Meine Fresse, wenn eine Frau wie sie an der Stange tanzte, dann explodierte sicher jedes Männerhirn in winzige matschige Stückchen und … verdammt, sie lenkte ihn ab. Extrem effektiv. Und sie wusste es und fand das überaus amüsant. Die Mundwinkel verrieten sie.
Nein, sie lässt mich wissen, wie leicht sie mit mir spielen kann, korrigierte er sich. Verflucht, die Frau war ihm über.
Feuchtes, schwarzes Haar hing ihr vor die Augen, und sie schien den spöttisch verzogenen Mund voll zu haben.
Die beiden starrten einander einige Augenblicke lang an, und Charles überlegte, was es wohl sein mochte, das sie im Mund hatte und das sie weder schlucken noch …
Sie spuckte aus.
Blut und ein schwammiger, undefinierbarer Klumpen klatschten zu Boden.
Wieder schwenkte sein Blick hinterher, und angewidert sah er, dass es sich dabei tatsächlich um ein Stück Schwanz handelte. Er sah zu ihr zurück. Was für ein absurder Schuss. Hatte er dem Kerl die Latte abgeschossen, während sie ihn im Mund gehabt hatte?
Wirklich?
Ein Millionentreffer. Unglaublich.
Das Opfer stöhnte und heulte.
Erneut ließ er sich ablenken. Sie riss die Waffe blitzschnell herum, drückte ab, schwenkte den Lauf, zog den Abzug neuerlich durch und hielt ihm die Mündung vors Gesicht, ehe er reagieren konnte.
Stille. Er hörte die Patronenhülsen über den Holzboden klimpern und rollen.
Verdammter Mist. Heute war wohl Debakeltag.
Die Sache war katastrophal danebengegangen, ausgeartet und ins Surreale abgeglitten. Und er stand immer noch da wie blöd und hatte nicht den leisesten Schimmer, wie sich die Angelegenheit bereinigen ließe.
Keine Schreie mehr.
Shit. Die Frau war schnell.
»Was war der zweite Schuss?«
»Die Katze.«
»Das ist gemein.« Eigentlich mochte er die Mistviecher und deren Vorliebe zu dezenter Sabotage.
»So«, sagte sie und schien die Situation erheiternd zu finden, wenngleich Charles rein gar nichts Amüsantes daran fand. Sie hatte ihn, den Profi, mit nebensächlicher Leichtigkeit vorgeführt. Wie überaus ungut.
»So«, wiederholte er trocken.
Sie nickte lächelnd. »Du sagst es. Schlechtes Timing deinerseits. Wie es aussieht, waren wir hinter der gleichen Person her.«
»Wirklich?« Er sah sie ungläubig an. »Auf mich hat das aber anders gewirkt. Du warst nicht hinterher, sondern obenauf.«
Die Pistole bewegte sich trotz der Provokation keinen Millimeter. Schlecht. Für ihn.
»Tragisch, wie täuschend eine Situation erscheinen kann«, erwiderte sie ruhig. »Der Irrtum liegt bei dir. Scheint nicht dein Tag zu sein, was?« Das klang beinahe mitfühlend. Ohne den zartbitteren Hauch von Hohn in der Stimme wäre er bereit gewesen, ihr das Mitgefühl abzukaufen.
Tja, aber wo sie recht hatte, hatte sie recht. Es war echt alles andere als ein guter Tag – eher das nackte Grauen.
»Bist du für Ratschläge empfänglich?«, setzte sie nach.
»Kommt auf die Umstände an«, antwortete er vorsichtig. Bloß sämtliche Optionen offenhalten. Sie schien damit zufrieden zu sein.
»Du steckst die Waffe weg und verschwindest aus der Wohnung. Ich kümmere mich um den Rest, für dich ist die Sache erledigt. Wie denkst du darüber?«
Aha?
»Warum sollte ich das tun? Wer sagt denn, dass ich nicht als Erster abdrücke?«
»Hartnäckig, was? Wenn du das Risiko eingehen willst, die Eier zu verlieren, mir soll es egal sein.«
»Was?« Er musste runterschauen, das war klar, darauf hatte sie abgezielt und …
»Leck mich«, flüsterte er resigniert.
Er nahm den Zeigefinger vom Abzug und richtete den Lauf der Waffe Richtung Zimmerdecke. Zeit, die Endgültigkeit der Niederlage zu akzeptieren.
Da war eine weitere Pistole. Noch eine Glock. Wenn sie nur einmal mit dem Finger zuckte, würde genau das passieren, was der Zielperson dank des grenzgenialen Fehlschusses zugestoßen war.
»Wie schafft es eine nackte Frau, zwei Schusswaffen in die Pfoten zu bekommen, ohne dass es auffällt?«, murmelte er mürrisch.
»Ich bin gut«, lautete die Antwort. Sie gab sich keine Mühe, die Belustigung in ihrer Stimme zu verbergen.
Charles steckte die Waffe ins Holster und hob die Hände zum Kopf. Die Frau war ihm schon über gewesen, noch bevor er sich Zutritt zur Wohnung verschafft hatte. Da gab es nichts zu beschönigen.
Es kam vor, dass man an einem Auftrag scheiterte. Das war zwar schlecht, aber nahezu unvermeidlich. Unabwägbarkeiten konnten jede noch so sorgfältige Planung über den Haufen werfen.
Das ewig unterschätzte Element des Zufalls spielte immer wieder eine bedeutsame Rolle. Aber derart dumm und unfähig vorgeführt zu werden, wie es ihm gerade passierte, das war schlicht und ergreifend frustrierend.
Wenigstens war die Zielperson tot, und das Klügste, was er tun konnte, war, ihrem Vorschlag zu folgen. Blieb die Frage, wer das Kopfgeld einstreichen würde. Sie schien seine Gedanken zu lesen.
»Du deines, ich meines. Wer will uns nachweisen, was wirklich geschehen ist? Ein wenig Spielerei mit Spuren, danach finde mal den Beweis für das Gegenteil. Wie gefällt dir das?«
Nicht schlecht.
Wenn das Chaos richtig inszeniert würde, sollte es keine Probleme geben. Und so, wie die Sache aussah, war sie gerade inmitten ihrer Inszenierung gewesen. Eine zwar ungewöhnliche Vorgehensweise, aber drauf geschissen – jeder Profi hatte einen eigenen Modus Operandi. Und den Profistatus konnte er ihr nie und nimmer absprechen.
»Kümmerst du dich darum?«
»Ja. Je eher du verschwindest, umso schneller ist die Angelegenheit erledigt.«
»Hm. Ich bin schon weg.« Kopfschüttelnd machte er sich auf den Weg zur Tür, gefolgt von den Schritten bloßer Füße auf Parkett.
»Eines noch«, sagte er. Sie zog eine Augenbraue hoch. Sah, soweit er es hinter dem blutverschmierten Gesicht erkennen konnte, entzückend aus. »Mit wem hatte ich das Vergnügen?«
»Schneewittchen«, lächelte sie, als sich seine Pupillen vor Überraschung weiteten.
Fuck. Kein Wunder, dass er aufgelaufen war wie ein Anfänger. Wenn das nicht eine unglaubliche Begegnung war. Die Frau galt als Legende, und … oh. Höflichkeit schien angebracht zu sein.
»Ich bin …«
»Ich weiß, wer du bist«, unterbrach sie ihn, schloss die Tür und ließ ihn bass erstaunt im Hausflur stehen.
Fuck. Schneewittchen.
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Der Beitrag [LESEPROBE]: Gott der Tentakel (Bd. 1) erschien am 01.03.2018 auf JohnAysa.net …
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