Eine kurze Einleitung: Im vorherigen Beitrag zum Thema Wohnungswechsel habe ich angemerkt, dass man zu viele Bücher haben kann, ganz im Gegensatz zur Binsenweisheit, nach der genau das nicht der Fall sein kann. Mein Höchststand waren 15.000 Titel, jetzt sind es 3000 in der Wohnung, und nochmal so viele im Keller. Warum das immer noch viel zu viele Bücher sind, darum geht es im heutigen Beitrag.
Sammlerwahnsinn
Ich habe ewig lang in der Vorstellung gelebt, wenn ich an einem Buch eines Autors Gefallen gefunden hatte, dass ich nach Möglichkeit sein Gesamtwerk anschaffen musste. Es spielte keine Rolle, ob dann jeder einzelne Titel gelesen war oder nicht, Hauptsache, er war da. Und das in der möglichst schönsten Ausgabe. Natürlich. Da ich diese Idee auch noch bei Filmen hatte, wurde alles zusammen recht schnell sehr viel – und sehr, sehr teuer mit der Zeit. Teufel nochmal, ich habe viele Jahrgänge der GEO-Magazine gesammelt, die grüne, die blaue, die rote, die schwarze Reihe. Und das summiert sich zu einem unglaublichen Volumen und Gewicht. Von diesem Trip, man kann das auch in gewisser Weise Zwangsverhalten nennen, bin ich im Laufe der Jahre dann runtergekommen.
Geholfen hat, dass jeder Wohnungswechsel zur Qual ausartete und irgendwann einfach die Bücher reduziert werden mussten. Zu den ersten Opfern gehörten sämtliche Battletech-Romane und die ganze Shadowrun-Reihe, damals beides noch exklusiv bei Heyne. Von da an war es einfacher, hin und wieder Bücher abzustoßen, besonders, wenn es allgemeine Belletristik und Thriller waren. Schließlich durften auch Horror-Bücher, Fantasy und Science-Fiction-Bücher gehen. Ich glaube, der größe Abstoß waren 2000 Bücher auf einen Schlag, Taschenbücher, Hardcover, Bildbände, die ich für rund 2000 Euro an einen Reste-Seller verkaufte.
Erkenntniswahnsinn
Inzwischen bin ich beim eingangs genannten Bestand angelangt. Und der muss weiter reduziert werden. Zum einen ist es mir schlicht zu viel und je älter ich werde, um so mehr schätze ich es, weniger Dinge zu haben. Und Bücher sind in der Hinsicht sehr viele Dinge. Wunderbar und ich möchte nicht auf sie verzichten müssen, was als Autor auch purer Schwachsinn ist, ha ha ha, aber die Menge macht die Musik. Und wenn du feststellst, dass deine Wohnung irgendwie überfüllt wirkt und die Regale vollgestopft sind und Bücher in der zweiten Reihe verschwunden und vergessen bleiben, dann musst du dir ernsthaft überlegen, ob nicht weniger mehr wäre.
Ich besitze jetzt 9 Billy-Regale 80cm breit, und 3 Billy-Regale 40cm breit sind beim aktuellen Wohnungswechsel hinzugekommen. Tatsache ist aber, dass die 9 Stück 80er Regale schon mehr waren, als es hätten sein sollen, 7 Stück waren vorgesehen (Die Wohung in Graz hatte noch 11 Stück 80er Regale, krachend vollgestopft). Immerhin sind mehr Bücher in Kisten geblieben und die 9 Regale waren nicht mehr ganz so überfüllt. Eigentlich war ich relativ zufrieden mit dem Stand.
Und dann stellte mir Jamie eine extrem unangenehme Frage: “Wie viele der Bücher willst du noch oder nochmal im Leben lesen?”. Das hat gesessen. Denn die ganz einfache Realität war, dass der größere Teil aller Bücher nur aus nostalgischen Gründen bei mir war. Ich hatte sie gelesen, für toll befunden – sonst wären sie nicht mehr hier – und daher für behaltenswert angesehen. Aber all diese Bücher nochmal lesen? Nein, das steht nicht am Plan. Dazu habe ich gar nicht mal genug Lebenszeit übrig.
Ich arbeite in einer Bibliothek, korrigiere Texte, schreibe Bücher. Ich führe eine Beziehung, habe regelmäßig meinen Neunjährigen bei mir, unregelmäßiger meine Tochter, schaue auch gern mal einen Film oder eine Serie. Und dann möchte ich auch noch haufenweise ungelesene Bücher lesen. Woher soll da die Zeit kommen, schon mal gelesene Bücher neuerlich zu goutieren? Wäre ich Pharaoh, ich nähme sie mit in mein Grab, um mich im nächsten Leben an ihnen zu erfreuen. So ganz glaube ich ich jedoch nicht an diese Möglichkeit – und selbst wenn, dann hielte das neue Leben auch neue Bücher parat.
Sortierwahnsinn
Nehmen wir das Foto links und gehen die Regale durch. Oberste Reihe links ist gefüllt mit Neal Stephenson. Hier bin ich 6 Titel im Rückstand. Danach steht Robert McCammon (die alten TBs von ihm sind in der zweiten Reihe), bei dem mir die letzten 7 Bücher fehlen. Alastair Reynolds, eine Katastrophe von 9 ungelesenen Büchern – und ich liebe Reynolds! In der vierten Reihe stehen Dune-Romane. Hier sieht es aus wie folgt, ich habe den originalen Zyklus von Frank Herbert mehrmals gelesen (in der zweiten Reihe, nicht sichtbar), aber noch keinen der Bände, die sein Sohn mit Kevin J. Anderson geschrieben hat. Möchte ich unbedingt probieren. Gefällt mir das, sind es 16 ausständige Romane.
Unterhalb von Dune steht George R.R. Martin, A Song of Ice and Fire – Game of Thrones. Angefangen, nicht weitergelesen, als sich abgezeichnet hat, dass Winds of Winter noch eine Weile braucht – inzwischen 10 Jahre. Heißt, ich muss von vorn beginnen, wann immer dieses Buch daherkommt – oder es geht sich noch aus, auf den allerletzten Band zu warten, wer weiß. Im Eckteil steht ganz oben William Gibson – alle gelesen, meisterhaft gefunden, die bleiben. Daneben Guillermo del Toro, gelesen, gemocht, abgehakt. Edgar Allan Poe darunter ist ein eigenes Thema, das später irgendwann einen Beitrag bekommt, aber in seiner Gesamtheit gelesen (vielleicht ein paar Gedichte nicht, schlagmichtot) und in mehreren Ausgaben vorhanden.
Unter Poe finden sich John Scalzi und Peter Watts. Scalzi unterhält mich köstlich und Peter Watts, der von Heyne offenbar nicht mehr übersetzt wird, buuh Heyne, schätze ich absolut und ungemein hoch ein. Keine Chance, mich von diesen Büchern zu trennen. Scalzi hat eine erheiternde Leichtigkeit bei epischen Dimensionen, sehr ansprechend, und Peter Watts ist einfach ein Traum aus irre cleveren Ideen, komplexen Handlungen und wissenschaftlichem Unterbau – und insgesamt fesselnde Literatur. Ich liebe Watts.
Und dann sind da die letzten, noch nicht gelesenen Bücher von Terry Pratchett. Die lese ich definitiv noch, aber langsam und über einen langen Zeitraum, einfach, um noch ungelesene Scheibenwelt-Romane zu haben.
Rechtes Regal oben – Tad Williams mit den Osten Ard-Romanen. Die vor einer Ewigkeit erschienene Trilogie in vier Bänden – Das Geheimnis der großen Schwerter – war für mich ein ungeheuer eindrucksvolles Leseerlebnis. Seit einigen Jahren nun bolzt Williams Sequels und Prequels dazu raus, im gewohnt monumentalen Umfang. Was ich bisher gelesen habe, gefällt mir immer noch irre gut, und deshalb werde ich wohl von Anfang an beginnen müssen, weil ich mich einfach an vieles aus den ursprünglichen Romanen nicht mehr erinnere. Übrigens hat Tad Williams einen gewissen George R.R. Martin zu seinem Zyklus inspiriert.
Unterhalb Tad Williams steht – Brandon Sanderson! Noch so ein Irrer Vielschreiber. Sanderson hat es mir relativ einfach gemacht. Ich habe alles fallen gelassen bis auf die Sturmlicht-Archive. Ein paar seiner Solo-Fantasy-Romane von davor sind geblieben, weil grandios. Die Sturmlicht-Archive sind auf 10 Bände angelegt und wenn Sanderson weiterhin langsamer wird mit diesem Zyklus und weiterhin an Leibesumfang zunimmt, dann gerät er zum zweiten George R.R. Martin. Ich möchte den Zyklus unbedingt lesen (Band 1 fand ich grandios), aber mit bisher nur vier Romanen (verteilt auf acht Bände in deutsch), ist es zu früh, um das Unterfangen ernsthaft anzugehen. Oh, und um hier etwas zu erklären – ich habe die Sturmlicht-Archive in den englischen Originalausgaben, das sind die vier fetten Hardcover links, und in den deutschen Übersetzungen, das sind die acht Bücher daneben. Warum? Weil ich Heyne nicht über den Weg traue, all die Jahre bei einer einheitlichen Gestaltung zu bleiben, was Farbe, Format und Bindung betrifft – oder überhaupt alle Bände zu übersetzen, und die Qualität der Übersetzung zu halten. *
Das nächste Fach gehört Das Rad der Zeit. Das erste Mal begonnen, da war nach ein paar Bänden eine lange Pause, weil Robert Jordan erkrankte. Dann schrieb er weiter und ich begann von vorn. Dann starb Robert Jordan, danach übernahm Brandon Sanderson mit dicker und dicker werdenden Bänden. Der Zyklus ist beendet, eigentlich könnte ich ihn lesen. Aber woher nehme ich die Zeit? Das vorletzte Fach sind alles Bücher, die ich gelesen habe und unbedingt behalten möchte. Darunter befindet sich James Bond. Hier habe ich vor längerer Zeit damit begonnen, die Fleming-Romane von Beginn an nochmal zu lesen. Ich mochte auch die Gardner-Romane, als sie seinerzeit erschienen sind.
Und das ist nur das zentrale Regal. Dann sind da noch zahlreiche andere Romane, die darauf warten, erstmalig gelesen zu werden. Von den Büchern, die ich nochmal lesen möchte, ganz zu schweigen. Der originale Dune-Zyklus wäre da zu nennen, oder die Homanx-Romane von Alan Dean Foster. Diverse Werke von Stephen King wollen nochmal gelesen werden. Und etliche andere Werke. Und nicht zu vergessen, es kommen immer wieder neue Autoren und Titel hinzu, die interessant scheinen. Also viele, viele Bücher.
Inzwischen habe ich eine Lösung gefunden, umsetzen muss ich sie nur noch in aller Konsequenz, das ist der harte Teil daran. Es bleiben nur Bücher hier, die mir auf besondere Weise wichtig sind und die potenziell die Chance haben, nochmal gelesen zu werden. Alles andere, und sei es auch noch so gut gewesen, muss weichen. Und das betrifft in aller Härte auch Sachbücher, erotische Literatur und Bildbände aller Art. Das ist der einzige Weg, die Zahl der Bücher in einem Rahmen zu halten, der managebar bleibt.
Alternativwahnsinn
Und nein, E-Books sind für mich persönlich keine Möglichkeit. Zum einen fehlt mir das haptische Element der Bücher und die Cover im Regal. Zum anderen ändert das nichts am grundlegenden Problem, dass zu viele Lektüre für zu wenig Lebenszeit vorhanden ist. E-Books verschlimmern die Situation sogar noch, weil ich gar nicht merke, wie viele Werke darauf gespeichert sind. Und darüber hinaus finde ich das genauso unübersichtlich wie Bücher in der zweiten Reihe. Ich habe eine Poe-Gesamtausgabe auf dem Reader und mir war das einige Jahre nicht mal bewusst. Das ist lächerlich und deshalb sind E-Books für mich kein funktionierender Lösungsansatz.
Dann wäre da der Umstand, dass ich in einer Bibliothek arbeite. Ich könnte mir Bücher leihen. Ja, das wäre eine Möglichkeit. Habe ich ein paarmal gemacht. Nicht eines davon gelesen. Und wenn? Ich weiß, dass ich mir als erstes das Dutzend Bände des hoch geschätzten Stephen Baxter leihen würde, dass ich noch nicht gelesen habe. Also mein Lesevolumen beträchtlich aufblähen würde – bei gleich bleibender Zeit dafür. Auch das ist ein Versuch, der von vornherein zum Scheitern verurteilt ist.
Der Bestand muss einfach runter auf eine überschaubare Menge und dann gehalten werden. Für jedes Buch, das neu hinzukommt, wird im Schnitt ein anderes Buch weichen müssen. Das bringt mit den Jahren einen gewissen Austausch dessen, was da ist, aber Interessen ändern sich eben und das ist gut so. Ein harter Kern an Autoren und Werken wird immer bleiben, was ich bisher genannt habe, plus ein paar ungenannt gebliebene Ergänzungen, und damit ist es gut.
Und sollte tatsächlich einmal die völlig verrückte Situation eintreten, dass ich alles gelesen habe, was ich besitze, nun, dann muss ich mir eben ein eigenes Buch schreiben, um es dann zu lesen. Und um das eigene Schreiben, darum wird sich der nächste Beitrag drehen.
Wie sieht es eigentlich bei euch selbst so aus mit dem Spagat zwischen lesen, sammeln und besitzen?
Danke fürs Lesen. Respektiert einander und passt auf euch auf.
John
*Ich lese die Bücher eines Autors meistens in der Sprache, in der ich ihn für mich entdeckt habe. Eine Ausnahme ist zum Beispiel Stephen King. Oder wie bei Peter Watts, wenn ein Autor nicht mehr übersetzt wird.
Vorsicht, der Beitrag kann Spuren von Humor, Satire und Zynismus enthalten (der Autor enthält sie gewiss).
Der Beitrag [BUCHWAHNSINN]: Viel zu viele erschien am 08.05.2023 auf JohnAysa.net …