The Greatest Comedian Freakshow:
So nennt sich das Spektakel im Zirukuszelt, das noch bis zum 19.04 auf dem Zentralen Berliner Festplatz zu besuchen ist bzw. war. Jamie und ich haben uns die Show vor einigen Tagen gegeben. Es klang geradezu unwiderstehlich – politisch unkorrekt, anstößig, provokativ, radikal, Idee von Till Lindemann, Altersfreigabe ab 16.
Das waren Schlagworte von geradezu magnetischer Anziehungskraft. Zwar wurde im Vorfeld besonders die Moderation von Kay Ray (war uns beiden völlig unbekannt) verrissen, aber das war in dem Fall egal. Die Preise waren relativ moderat und dass es mehrere Jacuzzis und Betten für das Publikum gab, war unterhaltsam – wir sind trotzdem ganz normal auf den Rängen gesessen. Die Betten und Jacuzzis waren übrigens alle gebucht, was absolut für das Publikum spricht.
Einleitung:
Noch vor der Moderation wanderte jemand vom Team durch die Ränge, um das Publikum vorzuwärmen – mit den flachsten und dämlichsten Witzen, die sowas von nicht lustig waren, dass die 10 Minuten bis zum Beginn wie eine Ewigkeit gewirkt haben. Immerhin haben da auch nicht allzu viele Leute gelacht bei dem dummen und unlustig ordinären Scheiß, den der Typ verzapft hat. Dann endlich die Erlösung durch den Moderator, der … ebenfalls wenig witzig war. Uns erschienen die Witze einfach nur platt und ordinär und auch unnötig beleidigend, wobei Kay Ray immer wieder betonte, das sei eben Humor und Humor dürfe alles. Was eigentlich nur nach einer billigen Ausrede wirkte, um die Faulheit zu rechtfertigen, “Witze” auf dem Niveau von Mario Barth zu erbrechen. Boah. Bitter ist nur, dass Ray manche Dinge von sich gab, die das Potenzial gehabt hätten, richtig bissige, höhnisch unkorrekte Satire zu sein, aber in den Billigwitzen ersoffen sind, die zwischendurch auch unverblümte Beleidigungen waren. Das wurde damit verkleidet, dass Humor und Toleranz gepredigt wurden. Öhm.
Auftritte:
Eine richtig gute Moderation hätte viel dazu beigetragen, die Show unterhaltsamer und interessanter zu gestalten, auch ein paar der Schwächen der Veranstaltung abzufangen. So jedoch hat das platte Gesabbel zu den Problemen der Show nicht nur beigetragen, sondern sie auch im Stich gelassen. Das Spektakel war mit knapp 90 Minuten überraschend kurz, was jedoch in dem speziellen Fall durchaus angenehm war. Insgesamt gab es, nach unserem Dafürhalten, deutlich mehr Nummern, die nicht gezündet haben als Auftritte, die gut gelungen waren.
Zu den begeisterungswürdigen Auftritten zählte Body Trapez, die beiden Seilkünstlerinnen, bei denen das minimale, als sexy gedachte Kostüm völlig überflüssig war, da ihre Akrobatik großartig war. Im Gegensatz dazu war Rebekka Spiegel, die ebenfalls am Seil zeigte, was sie konnte, relativ martialisch kostümiert, und das hat voll gerockt, tadellos zur Nummer gepasst. Nackte Haut völlig überflüssig. Starker Auftritt.
Die Time Bandits, die Truppe kleinwüchsiger Künstler, … nun ja, das beste an ihnen ist der Name Time Bandits, nach dem gleichnamigen Film, in dem eine Truppe kleinwüchsiger Zeitreisender im Mittelpunkt steht. Im Gegensatz zur saukomischen Filmtruppe war die Zirkustruppe echt nicht lustig. Sie waren nicht akrobatisch, nicht lustig, weder radikal noch provokativ. Um es mal auf dem Niveau der Shownummer auszudrückien – also schlicht derb und blöde – auch ein beinahe nackter Zwerg ist nicht per se komisch. Auch nicht anstößig oder originell – Versuche in dieser Richtung wirkten krampfhaft nach Humor von Leuten, die gar keinen Humor haben und sich darauf verlassen, dass ihre Kleinwüchsigkeit für sich für Unterhaltung sorgt. Äh. Nein.
Ähnliches galt für El Tipo, Peitschenkünstler. Der Auftritt zeugte von großem Können und Geschick, Indiana Jones wäre durchaus ins Schwitzen gekommen bei einem Peitschenduell, und endete in einem gelungenen Überraschungseffekt. Aber bis dahin war die Nummer langatmig, langweilig und der Auftritt bis zu einem gewissen Grad unsympathisch arrogant, wie ich ihn in der Form noch nicht gesehen hatte und ehrlich gesagt auch nicht wieder sehen möchte. Halb so lang und etwas weniger aggressiv im Gehabe hätten aus dem Auftritt eine großartige Nummer gemacht. Leider verschenkt.
Pupetry of the Penis sind zwei international bekannte Kabarettisten, die nackt auftreten und mit ihren Schwänzen und Eiern lustige Dinge veranstalten, die als “Genital-Origami” bezeichnet werden. Ihr Auftritt war völlig bescheuert und überaus unterhaltsam. Beide strahlten Sympathie aus, bewiesen Wortwitz bei der Interaktion mit einer Gruppe Zuschauer in einem Jacuzzi und veranstalteten Dinge mit ihren Geschlechtsteilen, die sowohl saukomisch wie schmerzhaft zum anschauen waren. Ein rundum gelungener Auftritt. Ich werde mich aber hüten zu versuchen, auch nur die kleinste Sache nachzumachen, die von den beiden vorgeführt wurde. Aua.
Der Daredevil Chicken Club, ein Duo aus Mann und Frau, bot ebenfalls eine recht einmalige Show – Tanzeinlagen, schicke Kostüme und … Bananen. Wie zum Teufel kommt man auf die Idee, sich Bananenstücke zuzuspucken und mit dem Mund aufzufangen, oder gegenseitig mit Bananenbrei Mund zu Mund zu füttern? Total bescheuert, aber ebenfalls sehr unterhaltsam, weil die beiden sehr sympathisch auftraten und diesen Unfug mit jeder Menge Humor inszenierten. Wie bei den Künstlern von Pupetry of the Penis vermittelten die beiden hier das Gefühl, dass sie viel Spaß an ihrer Vorführung hatten – und das macht verdammt viel aus.
Erkenntnis:
Was den Rest der Show betraf, war da mehrmals Nacktheit zu sehen, die man eher achselzuckend amüsiert zur Kenntnis genommen hat, es gab ein paar durchschnittliche Nummern mit einem überaus langweiligen und unlustigen Tiefpunkt (Die Spermium-Nummer) und eine unangenehm krampfhaft auf Symbolismus und politische Aussage getrimmten Nummer – ein russischer und ein ukrainischer Akrobat gemeinsam, der Ukrainer ein Rollstuhlfahrer. Anstößig und provokativ war jetzt nicht wirklich ein Auftritt, vielleicht radikal langweilig, das ja. Die Freakshow in ihrer diesjährigen Gestalt war krampfhaft auf Unkorrektheit, Provokation und Anstößigkeit ausgelegt, aber für uns in dieser Hinsicht ein Reinfall. Es war eine Show mit Besen im Arsch, bei dem nur einige wenige Borsten angenehm gekitzelt haben. Insgesamt, so der persönliche Eindruck, bot The Greatest Comedian Freakshow eine Provokation vor allem für Leute, die Monty Python nicht kennen und sich über das Kabbarett von Lisa Eckhart empören.
Überlegung:
Was mich angeht, so habe ich mich gefragt, ob ich zu viele Arten von Humor gesehen habe, um unvoreingenommen sein zu können. Schwer zu sagen. Ich denke es jedoch nicht wirklich, denn mit Stan Laurel und Oliver Hardy kann ich mich auch nach dem zehnten Mal immer noch kaputtlachen. Ich liebe Jacques Tati und immer noch Louis de Funes. Oder amüsiere mich über den Witz von Torsten Sträter, oder auch Ricky Gervais. Humor ist immer eine sehr subjektive Angelegenheit und in diesem Fall hat es für uns nur zum geringen Teil geklappt. Vielleicht war es auch einfach so, dass manche Nummern einfach faul waren. Weder akrobatisch, noch sonderlich witzig, oder sonst irgendwie unterhaltsam. Überall Mindeststandard. Grundsätzlich war die Idee der Freakshow gut und die gedachte Ausrichtung passend zu Till Lindemann. Hätte eine Menge Potenzial gehabt. Nur waren die Verantwortlichen meiner Meinung nach leider nicht imstande, eine Show mit erstklassigen Künstlern auf die Beine zu stellen, die all die hübschen Schlagworte auch umsetzen konnten.
Aber wie gesagt, die ganze Betrachtung der Show ist eine sehr subjektive Sicht darauf und wird vom persönlichen Humor und Geschmack getragen. Ich finde es super, dass viele Leute durchaus angetan schienen. Ich habe aber auch einige Leute gesehen, die etwas gelangweilt oder desinteressiert gewirkt haben.
Fazit:
Ein paar sehr schöne Höhepunkte und viel zu viele schlechte Nummern haben leider die Erwartungshaltung, die jetzt nicht rasend hoch angesetzt war, doch deutlich unterlaufen. Applaudiert haben wir nur in wenigen Fällen. Und aus heutiger Sicht werden wir die Show kein zweites Mal besuchen, wenn sich nicht die Auswahl der Künstler und des Moderators drastisch ändern.
Danke fürs Lesen. Habt euch lieb und passt auf euch auf.
John
Vorsicht, der Beitrag kann Spuren von Humor, Satire und Zynismus enthalten (der Autor enthält sie gewiss).
Der Beitrag [KULTURCLASH]: Flic Flac Freaks erschien am 15.04.2023 auf JohnAysa.net …