Ein wenig spielt der Titel dieses Beitrags auf den Beitrag [LERNEN]: Literarische Begegnung an, der sich darum dreht, dass ich einem für mich neuen Genre begegnet bin.
Der heutige Beitrag behandelt ebenfalls eine literarische Begegnung, die ich allerdings ganz anders wahrgenommen habe und die mich immer noch irritiert. Und zwar geht es um meinen Erstkontakt mit einem Bestseller-Autor, der für einen Stapel Action-Romane verantwortlich zeichnet, darunter mehrere Serien. Ich denke mal, jemand, der rund 7,5 Millionen Bücher verkauft hat, ist ruhig als Bestseller-Autor zu bezeichnen, oder?
Unbekannterweise hatte ich ihn bis dahin in die Ecke von Michael Crichton oder Preston/Child gerückt. Das Buch, das ich zu lesen bekam, war ein noch nicht auf deutsch erschienener Band einer Action-Serie. Meine Einschätzung von Crichton bzw. Preston/Child wurde innerhalb der ersten Seiten rasch korrigiert und ich dachte an die Mission Impossible-Filme von Tom Cruise mit ihren völlig absurden Stunts und Action-Szenen. Na gut, dachte ich, doch vielleicht ein eher moderner Indiana Jones?
Nein, ich beendete das Buch mit der niederschmetternden Erkenntnis, den Uwe Boll der Action-Literatur gelesen zu haben.
Der Roman war fürchterlich schlecht geschrieben. Sowas habe ich noch nie gelesen, dass es von einem großen (US) Verlag rausgebracht wird und derartig trivial ist. Ein paar Punkte, die mich erschüttert haben, möchte ich anführen:
Dummbatzenbuch eines Verlagsautors
Der Stil: Der Roman strotzt vor Wortwiederholungen. Der Autor wiederholt in einem Absatz das zuvor gesagte bis zu dreimal. Die Sätze sind schlicht und ergreifend grammatikalisch falsch und bedienen sich der einfachste Worte. Offensichtlich bemüht sich der Schreiber nicht einmal, für bestimmte Begriffe Synonyme nachzuschlagen. Die Sätze sind teilweise nicht einmal logisch zu verstehen – es ist aufgrund der behämmerten Wortstellung mehrmals unmöglich gewesen zu erkennen, worauf genau sich das Gestammel bezogen hat.
Der Inhalt: Hanebüchen ist ein freundliches Wort. So abenteuerlich dumm habe ich noch nie zuvor irgendwelche Action gelesen oder in einem Film gesehen. Die Geschichten ignorieren Naturgesetze und Logik in einem Ausmaß, das nur mehr lächerlich ist. Der zeitliche Ablauf ist derart schnell, dass es selbst die großzügigste Ignoranz arg strapaziert. Physikalische Unmöglichkeiten gehören zu den Standards. Die eine gute Idee, historisches und gegenwärtiges miteinander zu verknüpfen, wird durch die völlige Blödheit der Charaktere (und den erbärmlichen Schreibstil) vernichtet.
Wir reden hier von einem Verlagsautor, der bei einem richtig großen US-Verlag erscheint und auch auf deutsch eine gewisse Popularität besitzt. Von einem Autor, der 7,5 Millionen Bücher verkauft hat.
Ich habe dann auch ein kurzes Interview mit diesem Typen gelesen und empfand ihn schlicht als Trottel. Sicher kein dummer Mensch, aber so von seinem Schreiben überzeugt und davon, dass seine Ideen völlig originell sind, dass ich mich echt fragen muss, ob der Kerl auf irgendwelchen bewusstseinsverändernden Drogen unterwegs ist oder schlicht und ergreifend ein unausstehlicher Narzisst. Das der Typ überhaupt mit Filmstudios über seine Scheiße redet, wie er erzählt, ist … unsäglich.
Unterlaufene Mindeststandards
Nicht falsch verstehen, ich mag Abenteuer und Action und ich bin der letzte Mensch, der auf Logik und Physik in solchen Geschichten besteht. Das ist mir im Grunde egal, außerdem würden wohl 80 Prozent der Genre-Literatur verschwinden, wäre das ein Kriterium. Betrifft auch meine Werke, klar.
Aber eine gewisse Glaubwürdigkeit innerhalb der Geschichte muss schon gewahrt werden. Wenn ein, sagen wir, ein Leopard Kampfpanzer 55 Tonnen Kampfgewicht auf die Waage bringt und der größte und stärkste Hubschrauber der Welt, der russische Mi-26, auf maximal 28 Tonnen Tragkraft kommt (Die Mi-12 war stärker, aber von der gab es nur 2 Prototypen, die auch “nur” 40 Tonnen tragen konnten), dann geht sich die Sache einfach nicht aus. Was danach kommt, ist nur mehr so absurd, dass es jeder Beschreibung spottet. Das ist das Niveau, von dem wir hier sprechen.
Aber das heißt für mich, dass der Autor nicht einmal ansatzweise nachschaut, was genau er da schreibt. Oder einfach darauf scheißt, ob die Sache irgendwie glaubwürdig ist. Das Beispielt mit dem Panzer und Hubschrauber hat 5min Suche bei Google gebraucht. Nicht einmal diese kurze Zeitspanne war es dem Schreiber wert, nachzuschauen, ob er völlige Scheiße schreibt oder nur halbe Scheiße. Und dass finde ich dann unverzeihlich. Ein Gimmick, auf dass der Schreiber besonders stolz scheint, ist eine Eigenerfindung eines völlig schwachsinnigen Elements, dass es nur gibt, damit die Handlung an manchen Stellen überhaupt funktioniert. Das ist extrem schlechter Stil für diese Art von Genre-Literatur.
Ein Science Fiction-Roman und ganz besonders eine Fantasy-Geschichte dürfen, können, müssen frei erfinden. Auch der übernatürliche Horror-Roman erfindet. Das liegt in der Natur des Genres. Natürlich darf auch ein Action-Roman erfinden, was das Zeug hält, man sehe sich nur die Bond-Romane an, 007 und sein ganzes Arsenal.
Aber in der Logik der Bond-Romane funktionieren die Sachen und einige davon sind in der Realität verankert. Damit nimmt an den Unsinn vergnügt in Kauf. Auch Indiana Jones funktioniert nach demselben Prinzip. Haarsträubend, aber in sich logisch und deshalb in seiner Absurdität glaubwürdig. Das gilt allerdings nur für Indiana Jones 1-3. Bei Nr. 4 ging die Sache mit der inneren Logik und Glaubwürdigkeit völlig in die Hose.
Dieser Autor – und nein, seinen Namen schreibe ich nicht hierher (nein, nicht Dan Brown) – liefert einige der schlechtest geschriebenen und dümmsten Romane ab, die ich jemals gelesen habe. Das wunderbare englische Wort Trainwreck kommt mir dabei in den Sinn, oder vielleicht ein deutsche Neubauruine.
Science Fiction-Leihbücher aus den 1950er-1960er Jahren haben in etwa diese Klasse, was Stil und Inhalt anbelangt (Sandow, Shols, Wells (nicht HG.), und wie sie alle hießen). Ich habe Romanhefte gelesen, die mehr Niveau hatten als die Romane der Serie dieses Autors. Faszinierend, wie sehr sich solch ein Dreck verkauft und wie viele positive Rezensionen er abbekommt. Ein höchst interessantes Beispiel dafür, dass die Qualität eines Buches nicht im Ansatz mit dem Erfolg zusammenhängen muss.
Nicht nachdenken
Ich bin mir bloß nicht sicher, was ich davon halten soll, oder ob es mir scheißegal sein kann. Ich denke, das wäre wohl vernünftiger als alles andere. Vor ein paar Jahren habe ich einen Roman geschrieben, der mein eigener Versuch war, eine Action-Geschichte bis an die Grenzen der Glaubwürdigkeit zu verfassen.
Blutliebe heißt das Buch, und es verbindet halbrecherische Action mit Fahrzeugen, Explosionen, einstürzende Gebäude und … Vampiren. Ein Vampir-Action-Roman mit romantischem Unterton. Der Roman war ein Mißerfolg und die Serie, die er hätte starten sollen, kam nie zustande. Das hat mich tatsächlich getroffen, weil ich viel Augenmerk darauf gelegt hatte, dass der größte Teil der Details richtig war – bis auf jene Elemente, in denen das Übernatürliche eine Rolle spielte.
Ich bin keinesfalls der Meinung, dass ich besonders stilsicher oder wortgewandt bin. Ich achte darauf, so sorgfältig und sauber zu schreiben, wie es mir möglich ist, keine trivialen Sätze zu verfassen und nicht ununterbrochen Wortwiederholungen zu fabrizieren. Mir gelingt bei weitem nicht alles, was ich möchte. Ich denke, mein Schreiben ist halbwegs okay lesbar, und ich habe in den letzten Jahren etwas an Stilsicherheit zugelegt.
Dieser Autor fordert mich geradezu heraus, auf seine Werke eine Parodie zu verfassen. Diese Idee reihe ich in die Schlange der ungeschriebenen Bücher ein, die darauf warten, endlich fertiggestellt zu werden und irgendwann komme ich bestimmt dazu.
Hm, ich denke, jetzt habe ich mich genug ausgeschimpft. Und ich entschuldige mich bei Uwe Boll, ihn für den Vergleich herangezogen zu haben.
Besten Gruß John
Der Beitrag [LERNEN]: Literarischer Unfall erschien am 25.05.2022 auf JohnAysa.net …