Ich weiß nicht, ob ich es das eine oder andere Mal erwähnt habe, dass ich kein sonderlicher Fan von Dean Koontz bin. Ja? Nein? Egal, dann lasse ich mich jetzt mal kurz über ihn aus, weil ich ihn so richtig nicht mag:
Ich mochte seine früheren Romane recht gern, das war zu der Zeit, als ihn die Autorenfotos mit Glatze, Lederjacke und Schnauzer zeigten. Er erschien wie ein cooler Hund, der Mann, der richtig gute Horror-Romane wie Unheil über der Stadt (Phantoms, 1983) schrieb. Dann tauchte er plötzlich mit schlecht sitzendem, falschen Haar auf (es ist tatsächlich eine Haar-Transplantation, keine Perücke, nur sieht es deswegen nicht weniger beschissen aus), der Schnauzer war weg, er hatte einen Golden Retriever an seiner Seite und einen Pullover über den Schultern liegen – grauenhaft spießig, konservativ, anbiedernd, sehr unangenehm. So lasen sich seine Bücher ab dann – mit aller Gewalt auf Massentauglichkeit getrimmt.
Ich muss zugeben, ich mag Dean Koontz echt nicht – ist bisher gar nicht aufgefallen, was? – und halte den katholisch getrimmten, 1,62m kleinen Mann für einen riesigen Haufen Geltungsdrang, weil er ewige Jahre an Stephen King gemessen wurde und ihm das wohl im Laufe der Jahrzehnte psychisch schwer zugesetzt hat. Immerhin hat der 76jährige Koontz angeblich “nur” ein Vermögen von 200 Millionen Dollar, dank mehr als 450 Millionen verkaufter Bücher. Damit kommt er nicht an King heran, der Arme.*
Nicht, dass Koontz in der alten Optik nicht auch ein paar richtig beschissene Bücher geschrieben hatte, aber da kamen dann wenigstens immer wieder spannende und gute Werke hinterher. Da störten die miesen Titel nicht, jeder Autor muss ab einer gewissen Quote gelegentlich ein eher schlechtes Buch liefern, weil man bei allein über 105 Romanen nicht pausenlos Qualitätsware liefern kann. Geht nicht.
Eines dieser schlechten Bücher war der Thriller Die Augen der Dunkelheit, erschienen 1981. Ein relativ langweiliger Roman über einen gekidnappten Jungen, irgendwo in den Bergen von Colorado oder so, und von geheimen Experimenten mit irgendwelchen Mittelchen. Und, weil wir uns damals am Beginn der 1980er Jahre befanden, also noch im Kalten Krieg, hieß das Mittelchen Gorki-400 und war ein russische Boshaftigkeit, wie wir in quasi einem Nebensatz erfahren haben. Ein Kack-Roman.
Nun, Die Augen der Dunkelheit hat im Laufe der Jahre mehrmals, aktuell wieder eine Neuauflage bekommen und heißt jetzt Die Augen der Finsternis. Und wer den Roman bisher nicht gelesen hat, wird in dem Buch eine Überraschung erleben. Was ursprünglich Gorik-400 war und aus … Gorki, Russland, kam und damit eine russische Boshaftigkeit war, ist jetzt Wuhan-400 und stammt – richtig, aus Wuhan, ist also jetzt eine chinesische Boshaftigkeit.
Der Ullstein Verlag hat sich bei der aktuellen Neuauflage nicht entblödet, die Zeitung Daily Mail mit der Frage zu zitieren, ob der Roman eine Voraussage auf das Coronavirus war. Und natürlich knallt man auch einen “Spiegel Bestseller” Sticker auf das Cover.
Sehr lustig. Nein. Denn die Änderung auf Wuhan-400 passierte 1989 (!), wie der australische Daily Telegraph ebenso feststellte wie die von Ullstein zitierte Zeitung Daily Mail. Was der deutsche Verlag einfach so übergeht. Und warum wurde aus der russischen einen chinesische Boshaftigkeit? Die Lösung ist brutal simpel: Koontz hat mit Ende des Kalten Krieges im Jahr 1989 (Berliner Mauer als Stichwort) schlicht und ergreifend das ewige Feindbild Russland durch das neue Feindbild China ersetzt. Die Quelle dieser Theorie über die Vorhersage? Twitter (in beiden oben verlinkten Artikeln ist der Ursprung selbst verlinkt).
Die Entscheidung ist, nüchtern betrachtet, ganz simpel: Das Buch wäre unverändert mit einem Schlag politisch völlig veraltet gewesen und damit vom Markt, weil sich niemand mehr dafür interessiert hätte. Aber durch diese winzige Änderung konnte der Roman weiterhin problemlos am Markt bestehen bleiben und das macht aus wirtschaftlicher Sicht absolut Sinn und ist verständlich.
Jetzt bin ich natürlich der Letzte, der etwas dagegen hat, wenn man als Autor hergeht und in einem schon veröffentlichten Werk Änderungen vornimmt. Das habe ich auch schon gemacht. Das ist in meinen Augen absolut legitim, schließlich kann man Fehler korrigieren, veraltete oder falsche Elemente (Gorki vs. Wuhan) der Handlung korrigieren, schlechten Stil ausbessern oder gar einen Author’s Cut erstellen, weil die erste Fassung gekürzt war (siehe The Stand, von Stephen King), … alles okay. Kein Thema. Gehe ich nämlich her und betrachte ein Buch nicht nur als Kommerzware, sondern auch als Kunstwerk (niemand hat von guter Kunst geredet, was auch immer das sein soll), dann darf Kunst mit der Zeit gehen und sich ändern. Schlicht und ergreifend.
Aber tja, Ullstein bringt also einen eher miesen Thriller neu heraus, der knapp 40 Jahre alt ist und versucht das Buch auf ziemlich billige Weise zu hypen. Die Art und Weise, wie das in diesem Fall passiert, ist ein extrem unsympathischer Zug. Den alten Scheiß mit der aktuellen Corona-Scheiße in Zusammenhang zu bringen und so zu verkaufen und damit Kleingeld zu verdienen, indem man einen Artikel aufgreift, der eine vertrottelte Verschwörungstheorie als eine solche entblößt, und nur die zugegeben reißerische Schlagzeile hernimmt, um das Machwerk zu bewerben, das ist absolut geschmacklos.
Finde ich ziemlich fragwürdig, eigentlich schon hart an der Grenze der Verarschung, die peinlicherweise auch noch sehr einfach zu entlarven ist. Sorry. Da kann ich trotz meiner ausgeprägten Abneigung gegen Koontz keine Schuld beim Autor finden. Auch wenn ich sein Erscheinungsbild einfach nur Scheiße finde.
Bildervergleich und Grundlage für eine Verschwörungstheorie?: Im übrigen finde ich, dass sich Dean Koontz unübersehbar darum bemüht hat, wie Jack Ketchum auszusehen. Das hier war der coolere Dean Koontz.
*Ich denke mal, ich wäre schon unrettbar glücklich, 1% der Bücher von Koontz zu verkaufen – 4,5 Millionen Stück!!! – und mir wäre scheißegal, ob ich andauernd mit Edward Lee verglichen würde und dabei ständig als Loser abschnitte – allein der Vergleich ist ungeheuer ehrenhaft und ich liebe Edward Lee.
Disclaimer: The author of this article has a weird sense of humor …
Der Beitrag [ERHEITERUNG]: Verarscht, oder wie? erschien am 29.08.2021 auf JohnAysa.net …