Vor Jahren einmal habe ich irgendwo gelesen, die Quelle finde ich dieser Tage leider nicht mehr, dass man als Autor Entwicklungen durchläuft. Das ist nun keine besonders neue oder originelle Erkenntnis, aber eine von Bedeutung. Es geht in diesem Fall um das Schreiben. Die Theorie besagte, dass man ungefähr alle 100.000 Wörter einen Schub macht und an Können und Qualität gewinnt.
Nun bilde ich mir ein, genau dieses immer wieder zu erleben. Plötzlich gehen Texte leichter von der Hand, man verfügt ohne nachdenken über einen größeren Wortschatz und verwendet komplexere Formulierungen oder sieht Mängel, wo vorhin keine waren. Kurzum, man hat dazugelernt und erkennt die bisherigen Schwächen nun mit größerer Deutlichkeit.
Das ist natürlich eine sehr erfreuliche Sache. Es macht selbstredend Spaß, Geschichten zu erdenken, deren Grundidee an den Haaren herbeigezogen wird, während sie sich wie wild dagegen zu wehren versucht. Zugleich ist es jedoch auch sehr fein zu sehen, wie man solch unsinnigen Geschichten zur Glaubwürdigkeit und zur breitwilligen Akzeptanz durch die Leser verhilft, wenn man sie sauber und ordentlich geschrieben präsentiert. Das bedeutet natürlich nicht, dass man sich in stilistischen Exkursionen durch die Literaturgeschichte ergehen muss, keineswegs.
Stil und Inhalt einer Geschichte müssen harmonieren. Ein Text voller Blut und Gedärm im Stil von Thomas Mann ist … mühsam und wird nach einer Weile auch langweilig. Fantasy-Epen, bei denen jeder der zehn Bände tausend Seiten Umfang vorweisen kann, dürfen hingegen mit einer Detailfreude aufwarten, die sich ein herkömmlich umfangreicher Roman nie und nimmer erlauben kann. Alles irgendwie einfach.
Nun vermeine ich als Autor, solche Entwicklungssprünge zu machen. Nicht nur, weil ich selbst glaube, das zu beobachten, sondern auch, weil ich diese Entwicklung von Lesern mit entsprechender Erfahrung (Ex-Verleger zum Beispiel, oder der alterwührdige Genre-Rezensent) bestätigt bekomme. Das ist natürlich wunderbar und freut mich, aber, man sollte es kaum glauben, es bereitet mir auch Probleme.
Nämlich dahingehend, dass ich den ausgeprägten Wunsch verspüre, alte Texte zu revidieren. Auch verspüre ich die Lust, zum Beispiel am aktuell in Arbeit befindlichen Roman – ja, Prinzessin 4 – eine Fingerübung in Sachen Umfangwachstum und Detailwahn durchführen zu wollen. Ich kämpfe die ganze Zeit darum, die Kontrolle über den Umfang und die Details und die Komplexität der Handlung nicht zu verlieren. Auch darum, das bisher Geschriebene nicht allzu umfangreich zu revidieren. So wird Schreiben zu harter Arbeit.
Ganz schlimm ist das bei Chaska geraten. Die zwei Bände, die ich bisher veröffentlicht habe, sind nur der Bruchteil dessen, was ich seinerzeit geschrieben habe. ich habe mich wohlmeinender Beratung gefügt und die Bücher getrimmt, um sie ungefähr auf 100.000 Wörter Umfang zu halten. Das ist aus heutiger Sicht ein schwerer Fehler gewesen, weil sehr viel Stoff, den ich sehr mochte, rausflog. Die Bücher, wie sie heute sind, sehe ich als “Action Edition” und nicht als das, was ich ursprünglich wollte.
Und damit zum Kern des Problems: Es widerstrebt mir von ganzem Herzen, den dritten Band im selben Stil fertigzustellen. Was ich eigentlich will ist, die ursprünglich gedachte Fassung wiederherzustellen, um das ursprünglich angestrebte Epos zu vollenden. Ich kann das jetzt besser als vor zwei Jahren und jedes Mal, wenn ich an den Text gehe, kriege ich geradezu einen Krampf. Gleichzeitigt ist klar, dass ich das fehlende Buch unbedingt fertigstellen muss. Es nicht zu tun, ist mir genauso wenig angenehm wie es in dieser Form zu vollenden.
Ziemliches Dilemma. Und das nur, weil ich jetzt besser kapiere, wie ich das angestrebte epische Element der Story in Worte fasse. So gesehen ist ein eigentlich wünschenswerter und positiver Entwicklungssprung in der Erzählkunst eine Entwicklung, die nach hinten losgegangen ist. Damn. Ich sehe generell, nicht in diesem Fall, damit auch die theoretische Gefahr, ein Projekt mit diesem schizophrenen Zugang zum Scheitern zu bringen.
Ein Autor will im Grunde zweierlei: Er will seiner Leserschaft gut geschriebene, unterhaltsame Geschichten anbieten und er möchte sein Werk vollständig abliefern. Und hier tut sich der Marianengraben des Schreibens auf: Nicht immer sind beide Ziele in einer Arbeit vereinbar.
Mein Glück, um es mal positiv und vorsichtig zu formulieren, ist der Umstand, dass ich noch ein Jahr ziemlichen Zeitmangel durchleben muss und somit mein Fokus auf dem Hauptwerk zu liegen hat. Also auf dem Universum von Prinzessin/SHE. Erst auf dem vierten Buch, dann auf dem Spin-off um Kristina. Danach habe ich sicher wieder 100.000 Wörter geschrieben und mir wird vielleicht klarer werden, wie ich mit Chaska verfahre.
Um eine Binsenweisheit zu klauen – alles fließt.
Anmerkung 1: Anmerken möchte ich noch, dass dieser Sprung nicht die Fehlerzahl verringert, die einem, als mir, bei extrem schnellem Tippen unterläuft. Das ist eine andere Baustelle. Ich bin sicher, hier einige dem Tempo geschuldete Tippfehler hinterlassen zu haben. Darf jeder gern behalten, wenn er welche findet. Ich habe einen ausreichenden Vorrat davon. Viel Vergnügen damit!
Anmerkung 2: Wenn mir noch eine Ergänzung dazu einfällt (im Moment ist es 23.35 Uhr und ich bin schon etwas dumm im Hirn), dann werde ich sie einfügen und den Beitragstitel mit dem hübschen Wort “UPDATE” versehen.
Der Beitrag [SCHREIBEN]: Entwicklung erschien zuerst auf JohnAysa.net …
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